„Alpha ventus“ war der erste Offshore-Windpark Deutschlands. Er liegt in der Nordsee,
45 Kilometer von der Insel Borkum entfernt. Insgesamt zwölf Anlagen wandeln hier seit 2010 Windkraft in Strom um. In der Zwischenzeit liegen nun Daten vor, die eine umfassende Ökobilanz ermöglichten, sagt Hermann-Josef Wagner von der der Ruhr-Universität Bochum: „In der Ökobilanz betrachten wir den gesamten Prozess von der Wiege bis zur Bahre“. Konkret heißt das: Wie viel Energie braucht man, um das ganze Material für den Park herzustellen, die Komponenten zu fertigen, an ihren Standort zu transportieren, aufzubauen, zu warten und eines Tages wieder abzubauen, und wie viele Schadstoffe entstehen in diesem Prozess? Dies verglichen die Ingenieure damit, wie viel Energie beziehungsweise Schadstoffe man einspart, indem man Strom mit „alpha ventus“ und nicht mit Kohlekraftwerken oder dem deutschen Strommix herstellt. Dieser besteht zur Zeit zu 16 Prozent aus Kernenergie und zu 23 Prozent aus regenerativen Energien. Der Rest stammt aus Kohle- und Erdgaskraftwerken.
Die Ökobilanz von „alpha ventus“ umfasste sechs große Bereiche: die Windkraftanlagen, ihre Fundamente, die Verkabelung innerhalb des Windparks, das Offshore-Umspannwerk, die Seekabel sowie das Umspannwerk an Land. „Wenn eine Windkraftanlage einen
elektrischen Generator hat, müssen wir wissen, wie viel Eisen, Kupfer und sonstige
Materialien dieser enthält, wie die Materialien veredelt sind, wie viel Energie es braucht, um die Materialien herzustellen und daraus einen Generator zu wickeln, und wie viel Emissionen dabei entstehen.“ In die Ökobilanz ging dabei der Wert für die Primärenergie ein. Verbraucht man zum Beispiel eine Kilowattstunde Strom aus der Steckdose für die Herstellung eines Kabels, bezogen die Forscher auch mit ein, wie viel Energie es gekostet hat, diese Kilowattstunde Strom zu erzeugen. Wurde die Energie etwa aus Kohle gewonnen, musste diese zunächst aus dem Boden gefördert, weitertransportiert und verarbeitet werden. „Wir arbeiten also mit einem Maß dafür, wie viel Energie wir der Natur insgesamt in Form von Kohle, Öl oder Gas weggenommen haben“, erklärt Wagner.
Vergleiche: Kumulativer Energieaufwand und Emissionen
Zunächst verglichen die Forscher den kumulativen Energieaufwand für die drei
Lebenszyklusphasen des Parks: Herstellung, Betrieb und Abbau. Während der Abbau die mit Abstand energieärmste Phase des Lebenszyklus ist, schlägt der Betrieb immerhin mit 20 Prozent des gesamten Energieaufwands zu Buche – hauptsächlich aufgrund von wartungsbedingten Schiffs- und Helikoptereinsätze. Gut Dreiviertel des kumulativen Energieaufwandes entfallen auf die Herstellungsphase, also Materialproduktion und Aufbau. „Es hat sich gezeigt, dass die großen Brummer, die die Ökobilanz bestimmen, die Stahlmengen sind, die in alpha ventus verbaut sind“, sagt Wagner. Etwa 87 Prozent einer Windkraftanlage mit Kabel und Fundament bestehen aus Stahl. Die Wissenschaftler analysierten ebenfalls den gesamten Schadstoffausstoß: das Treibhausgaspotenzial, und die Emissionen von vier weiteren Arten von Schadstoffen.
Die Vergleiche aller Ergebnisse mit denen des deutschen Strommix zeigten: „Alpha ventus“ war bei allen Indikatoren überlegen – bis auf einen: „Die Humantoxizität war pro Kilowattstunde Windstrom größer als pro Kilowattstunde Strommix“, sagt Wagner. Diese Belastung entstehe bei der Produktion von Stahl. Die Menge des gesundheitsschädlichen Schadstoffs sei zwar höher als beim Strommix, aber immer noch sehr klein in absolutenZahlen.„Bei allen anderen Indikatoren sieht es für die Windkraft hervorragend aus“, so Wagner. Aus energetischer Sicht hat sich „alpha ventus“ inzwischen längst amortisiert. Windkraft produziert demnach also tatsächlich ausgesprochen grünen Strom.