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Zucker für den Roboter

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Zucker für den Roboter
Wissenschaftler entwickeln Prototypen von Bio-Robotern mit Verdauungstrakt. Das Ziel: eigenständige Energieversorgung.

Die Idee klingt futuristisch: Roboter, die grasend auf einer Weide stehen oder Insekten fangen und vertilgen, um daraus Energie zu gewinnen wie ein lebender Organismus. Genau daran arbeitet Stuart Wilkinson, Robotik-Forscher an der University of South Florida in Tampa. Sein Traum ist ein mobiler Roboter, der sich völlig selbst versorgt. Was wie Spielerei klingt, ist die Lösung eines handfesten Problems der mobilen Robotik: „Bislang muss man die Energiereserven immer wieder auffüllen“, sagt Dr. Bernhard Klaaßen, der selbstständige Roboter am Fraunhofer-Institut für Autonome Intelligente Systeme in St. Augustin entwickelt. „Wenn ein Roboter seine ,Nahrung‘ selbst aufnehmen könnte, wäre das ein enormer Fortschritt für seine Mobilität.“ Diese Roboter könnten selbstständig Kanali- sationsrohre überwachen, Daten in der Tiefsee sammeln oder lebensfeindliche Gebiete erkunden.

Prototypen von solchen Selbstversorgern gibt es bereits. Wilkinson entwickelte vor wenigen Jahren den Pionier. Die Forscher nennen ihn Gastronom oder Chew-chew, zu Deutsch „Tut-tut“ , denn er sieht aus wie eine Spielzeugeisenbahn und gewinnt seine Energie aus Zucker. Genauer: Er hat Bakterien der Art Escherichia coli aus dem menschlichen Darm an Bord, die den Zucker zersetzen und dabei biochemische Energie erzeugen. Eine mikrobielle Brennstoffzelle (MBZ) wandelt diese in elektrische Energie um. Dazu klinken sich so genannte Mediator-Moleküle in den Stoffwechsel der Bakterien ein. Sie zapfen Elektronen ab, die die Bakterien dem Zucker während des Abbaus entziehen, und schleusen sie aus den Mikroorganismen zur positiv geladenen Elektrode. Von da fließen die Elektronen als Strom zur negativen Elektrode, wo sie im Idealfall mit Luftsauerstoff zu Wasser reagieren. So weit ist Chew-chew noch nicht. Bei ihm nimmt eine Eisenverbindung die Elektronen auf. Um daraus Energie zu gewinnen, sollte der Roboter die Elektronen auf Sauerstoff übertragen – also Luft atmen. „Aber bisher reicht die Energie der Brennstoffzelle noch nicht, um einen Ventilator oder eine Luftpumpe anzutreiben“, erklärt Wilkinson. Sie genügt gerade, um Chew-chew auf Schienen fortzubewegen.

Ein anderer Selbstversorger kann da etwas mehr: Ecobot I ist eine weiße Scheibe auf Rädern, die der Robotiker Chris Melhuish und der Mikrobiologe John Greenman mit ihren Teams an der University of West England in Bristol entwickelt haben. „Er schafft 80 Zentimeter in 20 Minuten“, freut sich Iannis Ieropoulos, Doktorand bei Melhuish. Allerdings nur in Etappen, denn um 3 Sekunden zu rollen, muss Ecobot I 30 Sekunden lang seine Kondensatoren laden. „Mikrobielle Brennstoffzellen erzielen nur eine sehr geringe Stromdichte“, erklärt Wilkinson. „Während der Ladungsphase speichern die Roboter Energie, in der Fortbewegungsphase bewegen sie sich dann mit einem plötzlichen Ruck vorwärts.“

Für eine kontinuierliche Bewegung müsste die Brennstoffzelle konstant mehr Strom liefern als nur einige Mikroampere pro Quadratzentimeter Elektrodenfläche. Theoretisch ist das denkbar, denn die nötige Energie steckt in der Nahrung. Um sie schneller zu gewinnen, bräuchte man aber mehr Bakterien und müsste die MBZ größer bauen. „Dann wird sie allerdings schwerer, und der Roboter braucht wieder mehr Energie, um sie zu transportieren“, gibt Wilkinson zu bedenken.

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Eine andere Lösung wäre, die mikrobielle Brennstoffzelle zu optimieren. Hier könnten die Ergebnisse anderer Arbeitsgruppen richtungweisend sein. So haben Biochemiker aus Greifswald vergangenes Jahr eine Elektrodenbeschichtung aus leitfähigem Kunststoff vorgestellt. Sie erhöht die Stromdichte in einer MBZ gewaltig: Statt Mikroampere fließen nun schon Milliampere.

Die Stromversorgung ist nicht die einzige Hürde, die Wilkinson, Melhuish und Greenman noch zu meistern haben. Ecobot und Chew-chew sollen lernen, ihre Nahrung selbst zu finden, zu „ essen“, Störendes auszusortieren und Abfälle zu entsorgen. Außerdem müssen sich ihre Darmbakterien auf andere Nahrung als reinen Zucker einstellen: auf Gras, Früchte oder sogar Abfall. Hier lässt das Konzept einer mikrobiellen Brennstoffzelle hoffen, die US-Forscher kürzlich präsentiert haben. In ihr vertilgen Bakterien organische Abfälle aus Abwasser – bisher allerdings noch mit verschwindend geringer Leistung. ■

Barbara Witthuhn

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