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Abgesang für den Diesel?

Dieselautos zwischen Kartell, Fahrverboten und dem Diesel-Gipfel

Abgesang für den Diesel?
Autoabgase
Wie geht es weiter mit der Dreckschleuder Diesel? (Foto: Sergiy Serdyuk/ Fotolia)
Der Diesel scheint endgültig als Dreckschleuder entlarvt. Inzwischen steht die gesamte deutsche Autobranche für Absprachen und Tricksereien am Pranger. Morgen wollen Politik und Autohersteller auf einem Gipfel überlegen, wie es weitergeht.

Der Skandal um die Abgase der Dieselautos nimmt kein Ende: Erst war es nur Volkswagen, dann kamen nach und nach Mauscheleien auch bei anderen Autobauern heraus. Wie schon seit längerem bekannt, sorgt in den Diesel-Autos eine Abschaltautomatik dafür, dass die Abgasreinigung auf dem Prüfstand hochgeregelt, auf der Straße und insbesondere bei Kälte aber gedrosselt oder sogar ganz abgeschaltet wird. Als Folge liegen die Messwerte für Feinstaub und Stickoxide in vielen deutschen Großstädten häufig über den zulässigen Grenzwerten.

Das Kartell

Als wäre dies nicht schon schlimm genug, folgte Ende Juli 2017 der nächste Akt im Dieseldrama: Das Magazin „Der Spiegel“ enthüllte, dass fünf große deutsche Autohersteller – BMW, Mercedes, VW, Audi und Porsche und wahrscheinlich auch Bosch als Zulieferer von Bauteilen – systematische Absprachen getroffen haben. Sie einigten sich unter anderem darauf, den Tank mit dem für die Abgasreinigung nötigen Harnstoff, dem sogenannten AdBlue, aus Platz- und Geldgründen kleiner zu halten als eigentlich nötig.

Als Folge reicht der Harnstoff in den Dieselautos von vornherein nicht, um die Abgase ständig von Stickoxiden zu reinigen. Um dies zu kaschieren, ersannen die Hersteller die 2015 entlarvte Abschaltautomatik – und sprachen sich wahrscheinlich auch dabei untereinander ab. Mittlerweile laufen Ermittlungen gegen mehrere Manager der Konzerne wegen Betrugs und Verstoßes gegen Kartell- und Aktienrechte.

Was bringen Fahrverbote?

Der nächste Schlag für die Autolobby und gleichzeitig eine Ohrfeige für die Politik folgte vor wenigen Tagen: Das Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte gegen das Land Baden-Württemberg geklagt, weil gerade in Stuttgart die Grenzwerte besonders oft und drastisch überschritten werden. Die Umwelthilfe forderte die Einführung von umfassenden Fahrverboten im gesamten Stadtgebiet für Diesel-Fahrzeuge, die den Euro 6 Grenzwert auf der Straße überschreiten.

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Schon länger fordern Mediziner und Umweltverbände Fahrverbote für Dieselautos, wenn Grenzwerte in den Stadtzentren nicht eingehalten werden. In anderen europäischen Ländern gibt es solche Maßnahmen bereits: In London, Oslo und im Schweizerischen Tessin gibt es bei erhöhten Stickoxidwerten kurzfristige Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge. Alle öffentlichen Verkehrsmittel können in diesen Zeiten kostenlos genutzt werden.

Solche Fahrverbote beseitigen zwar nicht das Grundproblem der „dreckigen“ Dieselautos, sie helfen aber, die Belastung der Luft schnell wieder zu senken. Dadurch hofft man, zumindest einige der Gesundheitsfolgen für die Stadtbewohner zu vermeiden. Eine andere Möglichkeit sind Umweltzonen, die dauerhaft nur noch von Diesel-Fahrzeugen befahren werden dürfen, die die Abgasnormen nachweislich einhalten. Diese könnten beispielsweise mit einer blauen Plakette gekennzeichnet werden. Alle anderen Dieselautos hätten dann ein generelles Fahrverbot in den Stadtzentren.

Das Urteil

Demgegenüber wollte die Landesregierung die dicke Luft allein durch eine Softwarenachrüstung der Fahrzeuge beseitigen. Die Hersteller sollten so ihre Abschaltautomatik unwirksam machen und damit für bessere Abgaswerte sorgen. Allerdings sind sich Experte längst einig, dass eine bloße Umprogrammierung der Motorsoftware nicht ausreicht. Denn dies ändert beispielsweise nichts daran, dass die Tanks für den reinigenden Harnstoff zu klein sind.

Dieser Meinung hat sich nun auch das Stuttgarter Verwaltungsgericht angeschlossen. Die Richter kamen zu dem Urteil, dass der Luftreinhalteplan der Landesregierung keine ausreichenden Maßnahmen zur Verringerung der Luftbelastung enthält. Stattdessen stellte das Gericht klar, dass ganzjährige Diesel-Fahrverbote in der Stuttgarter Umweltzone rechtlich zulässig und für die Verbesserung der Luft unausweichlich sind.

Denn selbst wenn 100 Prozent der betroffenen Autohalter bis 2020 ein Software-Update erhalten, wäre nach Einschätzung der Gutachter nur mit einer Reduzierung der Stickstoffdioxidwerte um neun Prozent zu rechnen. „Tatsächlich ist die maximal mögliche Gesamtreduktion der Emissionen noch weitaus kleiner als vom Gericht als Maximalwert dargestellt, da die Industrie weniger als die Hälfte der Bestands-Diesel-Pkw in diese Maßnahme einbezieht“, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. „Wir gehen von deutlich weniger als fünf Prozent Verbesserungspotential der NO2-Belastung aus.“

Wie geht es jetzt weiter?

Während immerhin 57 Prozent der Deutschen durchaus für befristete und gezielte Diesel-Fahrverbote wären, lehnen dies die Bundesregierung und vor allem Verkehrsminister Alexander Dobrindt nach wie vor ab. Bei dem am Mittwoch, 2. August 2017, stattfindenden „Dieselgipfel“ sollen stattdessen die Autohersteller Pläne vorlegen, wie man die Abgasmisere effektiv beheben kann.

Technisch wäre es durchaus möglich, Euro 5 und 6 Diesel-Fahrzeuge abgasärmer zu machen. Dafür aber müssten Teile der Abgasreinigungsanlage ausgetauscht werden und möglicherweise ein größerer AdBlue-Tank eingebaut werden. Das würde nach Schätzungen der Deutschen Umwelthilfe rund 1.500 Euro pro Diesel-Auto kosten. Umweltverbände fordern, dass die Automobilkonzerne diese Nachrüstung aus eigener Tasche bezahlen – immerhin haben sie die Autokäufer jahrelang betrogen.

Ob die Politik allerdings genügend Druck auf die Hersteller ausübt, bleibt fraglich. Denn in den letzten Jahren zeichnete sich die Haltung von Regierung und Behörden eher dadurch aus, dass die Verfehlungen der Autoindustrie geduldet und sogar gedeckt wurden.

Quellen: Deutsche Umwelthilfe, BUND, scinexx

© natur.de – Nadja Podbregar
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