Menschen mit absolutem Gehör haben zwei grundlegende Dinge gemeinsam: Ihre Fähigkeit, Töne exakt zu bestimmen, nimmt mit zunehmendem Alter ab, und der am häufigsten falsch bestimmte Ton ist das Gis, haben amerikanische Forscher gezeigt. Als absolutes Gehör wird die Fähigkeit bezeichnet, die Höhe eines Tones genau zu identifizieren, ohne einen Vergleichston zu Hilfe zu nehmen. Für ihre Studie überprüften die Wissenschaftler über drei Jahre das Gehör von knapp tausend absolut hörenden Menschen.
Je älter die Versuchsteilnehmer waren, desto häufiger benannten sie einen gehörten Ton falsch. Dabei tendierten sie dazu, den Ton eher zu hoch als zu niedrig einzustufen. Verantwortlich für diese Beobachtung machen die Forscher Veränderungen in der
Hörschnecke im Innenohr. Mit zunehmendem Alter werden deswegen Töne systematisch falsch gehört. Das zeigte sich auch bei einem 44-jährigen Versuchsteilnehmer: Er hörte zwar absolut, bestimmte jedoch konsequent jeden Ton einen Halbton zu hoch. Wahrscheinlich treten die Veränderungen im Innenohr bei nahezu jedem Menschen auf, doch nur absolut hörende bemerken dieses, vermuten die Forscher.
Die meisten Schwierigkeiten bereitete den Versuchsteilnehmern das Gis. Nur 52 Prozent der eigentlich absolut hörenden Probanden konnten diesen Ton richtig identifizieren. 26 Prozent bezeichneten ihn fälschlicherweise als A. Die Forscher erklären sich dieses Phänomen mit der besonderen Präsenz des Tones A in der westlich geprägten Musik: Wer als Konzertgänger daran gewöhnt sei, dass Musiker ihre Instrumente nach diesem Ton stimmten, weise dem A automatisch ein breiteres Spektrum an Frequenzen zu als anderen Tönen. So lernen die Hörer, das Gis fälschlicherweise als A zu hören. Ob ihre Theorie zutrifft, möchten die Wissenschaftler überprüfen, indem sie ihre Experimente mit Angehörigen einer anderen Musikkultur als der westlichen durchführen.
Als Voraussetzung für ein absolutes Gehör sehen die Forscher zwar eine frühe Beschäftigung mit der Musik. Diese reiche allerdings nicht aus. Vielmehr müsse es ein oder mehrere Gene geben, die für diese besondere Fähigkeit verantwortlich seien.
Alexandra Athos (Universität von Kalifornien, San Francisco) et al.: PNAS (Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1073/pnas.0703868104) ddp/wissenschaft.de ? Anja Basters