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Acht Milliarden Tonnen Plastik

Erde|Umwelt

Acht Milliarden Tonnen Plastik
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Das vom Menschen produzierte Plastik müllt die Erde zu (Foto: Jenna Jambeck/ University of Georgia)
Wir leben im Zeitalter des Plastiks: Seit Beginn der Massenproduktion von Kunststoffen vor gut 65 Jahren hat die Menschheit insgesamt gut acht Milliarden Tonnen Plastik produziert. Das enthüllt nun eine erste globale Bilanz der Plastikproduktion und Verwendung. Dieses Material boomte damit so schnell wie kaum ein anderes menschengemachtes Material. Doch zwei Drittel allen jemals hergestellten Plastiks gammeln heute als Müll auf Deponien oder verschmutzen Umwelt und Meere. Damit sei dies ein unkontrolliertes Experiment globalen Maßstabs, warnen die Wissenschaftler.

Die Erfindung der Kunststoffe hat uns Menschen ganz neue Möglichkeiten eröffnet, längst ist Plastik in unserem Alltag allgegenwärtig. Die günstigen, vielseitig einsetzbaren Polymere auf Erdölbasis sind leicht, beliebig formbar und noch dazu sehr haltbar. Kein Wunder, dass die Kunststoffproduktion seit den 1950er Jahren so rapide zugenommen hat, wie bei kaum einem anderen menschengemachten Material. Doch in den letzten Jahren zeigt sich mehr und mehr die Schattenseite der Plastikschwemme: Plastikmüll verschmutzt inzwischen nahezu alle Ozeane und Gewässer unseres Planeten. Forscher beziffern allein die Menge der Kunststoffpartikel in den Weltmeeren auf rund fünf Billionen. Jedes Jahr werden weitere acht Millionen Tonnen Plastikmüll von den Küsten in die Ozeane geschwemmt, so die Schätzung von Forscher im Jahr 2015. Längst findet sich der Müll selbst in der Tiefsee, auf abgelegenen Inseln oder in der Arktis. „Kunststoff ist heute so allgegenwärtig, dass man nirgendwo mehr hingehen kann, ohne auf Plastikmüll in unserer Umwelt zu stoßen“, sagt Koautorin Jenna Jambeck von der University of Georgia in Athens.

Gewaltige Mengen

Wie viel Kunststoff insgesamt weltweit im Umlauf ist und jemals produziert wurde, haben Jambeck und ihre Kollegen nun erstmals umfassend ermittelt. Dafür werteten sie Daten zur Produktion, der Nutzung und der Entsorgung von Polymergranulat und -fasern sowie von Plastikzusatzstoffen aus. Sie erfassen dabei Kunststoffe von Polyurethan, Polyethylen und Polyvinylchlorid bis zu PET, Polyamid oder Acryl. „Wir präsentieren damit die erste globale Analyse allen massenproduzierten Plastiks, das die Menschheit je hergestellt hat“, konstatieren die Forscher.

Die Bilanz ergab: Von den Anfängen der Massenproduktion in den 1950er Jahren bis heute hat die Menschheit rund 8,3 Milliarden Tonnen Rohkunststoff produziert. Die globale Jahresproduktion stieg von rund zwei Millionen Tonnen im Jahr 1950 bis auf 400 Millionen Tonnen im Jahr 2015, die Hälften allen Plastiks weltweit ist erst in den letzten 13 Jahren entstanden, wie die Forscher berichten. „Damit hat das Wachstum der Plastikproduktion in den letzten 65 Jahren die nahezu jedes anderen menschengemachten Materials überflügelt“, sagen Jambeck und ihre Kollegen. Ausnahmen sind nur Stahl und Zement, beides Materialien, die vor allem beim Bau verwendet werden. Doch während Stahl und Zement, einmal verbaut, lange in Gebrauch bleiben, sind Plastikprodukte extrem kurzlebig.
„Rund die Hälfte allen Stahls geht in die Konstruktion, er wird daher über Jahrzehnte genutzt“, erklärt Erstautor Roland Geyer von der University of California in Santa Barbara. Plastik jedoch ist wesentlich kurzlebiger – auch weil ein Großteil davon für Verpackungen verwendet wird.

Zwei Drittel sind längst Abfall

Was mit dem Plastik nach der Produktion passiert, haben die Wissenschaftler ebenfalls genauer untersucht. Die traurige Bilanz: Nur ein Drittel des gesamten jemals hergestellten Kunststoffs ist aktuell noch in Gebrauch. Der gesamte Rest, 6,3 Milliarden Tonnen, ist längst Abfall. „Die Hälfte des Plastiks wird schon nach einem Jahr zu Müll“, berichtet Geyer. Das Problem dabei: Nur ein winziger Teil des gesamten menschlichen Plastikabfalls wurde bisher recycelt – die Forscher beziffern diesen Anteil auf nur neun Prozent. Zwölf Prozent wurde der thermischen Verwertung zugeführt, sprich in Müllverbrennungsanlagen entsorgt. Der große Rest des Plastikmülls jedoch, 79 Prozent, liegt auf Deponien herum oder ist längst in der Landschaft und den Meeren verteilt. „Die meisten Kunststoffe degradieren in der Umwelt kaum“, sagt Jambeck. „Der von uns erzeugte Plastikmüll könnte uns daher noch über Jahrhundert oder sogar Jahrtausende erhalten bleiben.“

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Angesichts dieser wenig ermutigenden Bilanz fordern die Wissenschaftler dringend ein Umdenken. „Die Menschheit führt hier ein unkontrolliertes Experiment globalen Maßstabs durch“, warnen sie. „Milliarden Tonnen Materials sammeln sich in allen großen terrestrischen und aquatischen Ökosystemen des Planeten an.“ Auch sie räumen ein, dass nicht alle Kunststoffe problemlos ersetzbar sind oder die Plastikproduktion von heute auf morgen gestoppt werden kann. „Aber wir sollten uns fragen, wo die Nutzung dieser Materialien wirklich nötig und sinnvoll ist und wo nicht“, sagt Koautorin Kara Law von der Sea Educations Association in Woods Hole. „Unsere Schätzungen unterstreichen, dass wir unseren Materialverbrauch und unser Abfallmanagement dringend kritisch hinterfragen müssen.“

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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