In den USA ist die Häufigkeit allergischer Überreaktionen ungleich verteilt: Amerikaner aus nordöstlichen Bundesstaaten erleiden häufiger einen so genannten anaphylaktischen Schock als Bewohner des Südens. Das schließen Wissenschaftler der Harvard-Universität in Boston aus den Verschreibungsraten für Anti-Schock-Medikamente. Auf welche Weise der Wohnort die Häufigkeit allergischer Reaktionen beeinflussen kann, ist unklar. Die Forscher vermuten, dass das Sonnenlicht eine Rolle spielen könnte.
Im Jahr 2004 verschrieben amerikanische Ärzte insgesamt 2,5 Millionen Mal eine
Adrenalin-Notfallspritze zur Behandlung eines anaphylaktischen Schocks. In den südlichen Staaten ? von Kalifornien bis Mississippi ? kamen auf tausend Einwohner drei Spritzen. Im Nordosten waren es bis zu zwölf, also viermal so viele. Die Wissenschaftler überprüften, ob zum Beispiel
demografische Faktoren, die Anzahl an Ärzten pro Einwohner oder die Verschreibung anderer Medikamente diese Unterschiede erklären können. Bis auf die geografische Lage entdeckten die Forscher aber keine Unterschiede zwischen den Staaten.
“Da auch bei Asthma ein solches Nord-Süd-Gefälle zu beobachten ist, kamen diese Ergebnisse nicht vollkommen unerwartet”, erklärt Studienleiter Carlos Camargo. Er vermutet, dass ein Mangel an Vitamin D zu der allergischen Überreaktion führt. Der Körper kann dieses Vitamin mithilfe des Sonnenlichts selbst bilden. In höhereren Breiten wird es für die Menschen aber schwieriger, genug Vitamin D über die Haut zu produzieren.
Roger Katz, Allergie-Experte von der Universität von Kalifornien in Los Angeles, bezeichnet Camargos Vermutungen als interessante Hypothese, die sich weiter zu überprüfen lohne. Bekannt ist, dass Vitamin D das körpereigene Abwehrsystem beeinflussen kann. Bei Allergikern reagiert das Immunsystem auf bestimmte, normalerweise harmlose Stoffe, zum Beispiel Fischeiweiß. Ein anaphylaktischer Schock ist die extremste Form einer allergischen Reaktion und kann bis zum Tode führen. Die Verschreibungsrate für Notfallspritzen ist allerdings nicht mit der Häufigkeit von Allergien gleichzusetzen. Denn Adrenalin muss nur dann gespritzt werden, wenn ein Betroffener mit dem allergieauslösenden Stoff in Kontakt kommt und sein Immunsystem entsprechend stark reagiert.
Nature, Onlinedienst, DOI: 10.1038/news070709-9 Originalarbeit der Forscher: Carlos Camargo ( Harvard Medical School) et al.: Journal of Allergy an Clinical Immunology, Bd. 120, S. 131 ddp/wissenschaft.de ? Larissa Kessner