Kohlmeisen sind überall zu sehen und zu hören – auch mitten in der Großstadt. Sie gelten daher als Kulturfolger, die dem Menschen erfolgreich aus dem Wald bis in die Städte nachgezogen sind. Welche Auswirkungen das urbane Leben auf die Meisen hat, haben nun Philipp Sprau von der Ludwig-Maximilians Universität München und seine Kollegen untersucht. Sie wollten vor allem wissen, wie sich die städtische Umgebung auf den Bruterfolg dieser Vögel auswirkt.
Für ihre Studie hängten die Wissenschaftler in der Stadt München und im zwölf Waldgebieten im Umland hunderte von Nistkästen auf. Waren Kohlmeisen eingezogen, beobachteten sie, wann die Vögel Eier legten, wie viele und wie schwer diese waren. Später dann ermittelten sie das Gewicht der schlüpfenden Jungtiere. Auch Umweltfaktoren wie Licht, Lärm und Wetter bezogen die Forscher mit ein.
Stadtmeisen sind Frühstarter
Das Ergebnis: Im Vergleich mit den Kohlmeisen im Umland begannen die Stadtmeisen früher zu brüten. Vogelforscher gehen davon aus, dass dabei möglicherweise die wärmeren Temperaturen in der Stadt und vielleicht auch das künstliche Licht in den Morgen- und Abendstunden eine Rolle spielt – es gaukelt den Vögeln einen früheren Frühling vor. Ob das auch bei den Münchener Kohlmeisen der Fall ist, konnten Sprau und seine Kollegen allerdings nicht eindeutig feststellen.
„Für drei der vier gemessenen Umweltfaktoren wurde im Münchener Stadtgebiet höhere bzw. niedrigere Werte im Vergleich mit den zwölf Waldgebieten gemessen“, berichtet Sprau. In der Stadt war die Luftfeuchtigkeit am geringsten, die Temperatur am höchsten und das Nachtlicht am hellsten. Allerdings erklären diese Umweltunterschiede allein noch nicht den früheren Brutzeitpunkt.
Weniger Eier, kleinere Küken
Die Auswertungen ergaben aber noch weitere Unterschiede: Die Kohlmeisen in der Stadt legten im Mittel weniger Eier als ihre ländlichen Artgenossen. Zudem waren die Jungvögel beim Ausfliegen weniger gut genährt als der Kohlmeisen-Nachwuchs im Wald. Warum das der Fall ist, bleibt bisher unklar. Hier scheinen auch die Umweltfaktoren Licht, Lärm oder Wetter keine Erklärung zu liefern.
„Unsere Studie zeigt, wie schwierig es ist, die Auswirkung der Verstädterung auf natürliche Ökosysteme exakt zu messen“ sagt Sprau. „Obwohl wir verschiedene Umweltparameter quantifiziert haben, waren keine klaren Muster zu erkennen, die Unterschiede im Fortpflanzungserfolg erklären können.“ Für zukünftige Studien bedeutet dies, dass auf jeden Fall weitere Parameter untersucht werden müssen. Gerade beim Gewicht der Jungvögel liegt es beispielsweise nahe, das Nahrungsangebot für die Kohlmeisen zu untersuchen.
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft, Fachartikel: Behavioural Ecology, doi: 10.1093/beheco/arw130