Die Forscher um Jürgen Seibel von der Universität Würzburg haben bei ihrer Strategie den Stoffwechsel der Bakterien gleichsam als Waffe gegen diese selbst eingesetzt. Sie haben spezielle Zucker-analoge Strukturen hergestellt und den Nährlösungen der Bakterien im Labor zugesetzt. Den Mikroben war dieser Stoff eine willkommene Nahrungsquelle: Sie haben die Moleküle als Bausteine für ihre Zelloberflächen genutzt. Die Analysen der Forscher zeigten, dass dies einen entscheidenden Aspekt der Krankheitserreger veränderte: Ihre Fähigkeit, sich an humane Zellen anzuheften. Sie konnten sich nicht mehr so gut an ihre Opfer heften und dementsprechend auch nicht mit ihrem üblen Werk beginnen, erklären die Wissenschaftler. „Somit sinkt die Gefahr einer Infektion“, sagt Jürgen Seibel.
Im Hinblick auf die Entwicklung von Medikamenten erscheint ein weiterer Aspekt der verwendeten Zuckerstrukturen sehr vielversprechend: Nur die Bakterien bauen sie gern in ihre Zellstrukturen ein, bei humanen Zellen ist das dagegen nicht der Fall. „Dies erlaubt uns, gezielt die Bakterien anzugreifen, ohne die humanen Zellen zu schädigen“, so Elisabeth Memmel, die diese Studie im Rahmen ihrer Doktorarbeit durchführte.
Hoffnung auf Alternative zum Antibiotika-Einsatz
Seibel ist optimistisch, dass sich neuartige Medikamente gegen multiresistente Bakterien mit dieser Strategie entwickeln lassen. Der große Vorteil sei dabei, dass sie auf einem ganz neuartigen Wirkmechanismus beruht: „Die meisten Antibiotika zielen darauf ab, die Zellwandbiosynthese oder andere lebensnotwendige Prozesse der Bakterien zu unterbinden. Mit dem neuen Ansatz versuchen wir dagegen, die Adhäsion zwischen Bakterien und humanen Zellen als Angriffspunkt zu nutzen“, so Seibel.
Alternativen sind gefragt, denn die einstigen Wunderwaffen des Menschen gegen Bakterien, die Antibiotika, werden zunehmend stumpf: Einigen Erreger-Stämmen ist es gelungen, Multiresistenzen gegen eine Reihe wichtiger Antibiotika zu erwerben. Die entsprechenden Vertreter von S. Aureus werden als MRSA-Erreger bezeichnet: Methicillin-Resistente S. Aureus . Alle sogenannten β-Lactam-Antibiotika zu denen Penicilline, Cephalosporine und Carbapeneme zählen, sind gegen diese Erreger machtlos. Der teils verschwenderische Antibiotika-Einsatz hat Krankenhäuser zu wahren Brutstätten dieser resistenten Keime gemacht. Haben sie die Gelegenheit, sich im menschlichen Körper auszubreiten, droht Lebensgefahr: Eine Lungenentzündung, eine Entzündung der Herzinnenhaut oder die gefürchtete Sepsis können zum Tod führen.
Originalarbeit der Forscher: Jürgen Seibel (Universität Würzburg) et al.: Chem. Commun., doi: 10.1039/C3CC43424A