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AUSSERIRDISCHE – WO SEID IHR?

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AUSSERIRDISCHE – WO SEID IHR?
Seit 50 Jahren ist das kosmische Schweigen ein großes Rätsel. Warum machen sich extraterrestrische Zivilisationen nicht bemerkbar – oder schauen einfach mal bei uns vorbei?

Ist da jemand? Unermüdlich horchen die 42 Antennen des Allen Telescope Array (ATA) in den Himmel. Sie gehören zum Hat Creek Radio Observatory, 450 Kilometer nordöstlich von San Francisco. Falls zufällig – oder absichtlich – eine außerirdische Botschaft im Frequenzbereich zwischen 0,5 bis 11,2 Gigahertz zur Erde gelangte, würden sie die sieben Meter großen Antennen erhaschen. Und die hochentwickelten Datenverarbeitungsprogramme würden sie wahrscheinlich aus der Fülle der Radiosignale herausfiltern. SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence) heißt das ehrgeizige Programm, das nach Science-Fiction klingt, aber keine ist. 1960 wurde erstmals nach möglichen Botschaften von anderen Planetensystemen gesucht (siehe Kasten „Das Ozma-Projekt“). Seither gab es große Fortschritte (bild der wissenschaft 2/2002, „ Die Suche nach Signalen“). Doch ATA geht SETI erstmals im großen Stil an. Mit Sensitivität, Beobachtungszeit und -volumen stellt das Observatorium alle bisherigen Projekte weit in den Schatten.

Betrieben wird ATA von dem privat finanzierten SETI-Institut im kalifornischen Mountain View und dem Radio Astronomy Laboratory der University of California in Berkeley. Die bestehende Anlage geht hauptsächlich auf eine 25-Millionen-Dollar-Spende des Microsoft-Mitbegründers Paul G. Allen zurück. Künftig werden es nicht 42, sondern 350 Antennen sein, die dann zusammengeschaltet in einem Abstand von bis zu 900 Metern eines der leistungsfähigsten Radioteleskope der Welt bilden. ATA wird dann simultan die 17-fache Fläche des Radiohimmels von VLA im Visier haben. Das Very Large Array (VLA) in New Mexico besteht aus 27 Antennen von je 25 Meter Größe und ist auf seine Art für den Zentimeter-Wellenlängenbereich das leistungsfähigste Radioobservatorium der Welt.

ATA macht parallel zu SETI auch astronomische Spitzenforschung. Es liegen bereits erste Messungen zur Verteilung des Wasserstoffs in und zwischen den Galaxien vor sowie Daten zur Sternentstehung und zum Galaktischen Zentrum. Außerdem ist ATA mit seinen vielen relativ billigen Antennen und der anspruchsvollen Datenzusammenführung und -analyse durch massiven Computereinsatz ein Technologie-Pionier für künftige Radioobservatorien – insbesondere für das Square Kilometre Array, die geplante größte Sternwarte aller Zeiten. „Das ist die Richtung der Radioastronomie der Zukunft“, sagt Mark McKinnon, Projektmanager beim VLA. „Die Forscher und Ingenieure vom ATA-Team sind die einzigen, die daran bereits praktisch arbeiten.“ Bezogen auf die Radiostrahlung-Sammelfläche kostet ATA die Hälfte bis ein Drittel soviel wie andere Radioteleskope.

Das Fermi-Paradoxon

Doch wie stehen die Chancen, Nachrichten von außerirdischen Intelligenzen zu empfangen? Und wieso haben sie sich nicht längst bemerkbar gemacht – falls es sie denn gibt? Optimisten mutmaßen, dass allein in der Milchstraße einige Zehntausend oder sogar Millionen intelligente Zivilisationen beheimatet sind. Einige hätten bereits vor fünf Milliarden Jahren entstehen können. Eine lineare Extrapolation der irdischen technischen Entwicklung in die Zukunft erlaubt den Schluss, dass solche extraterrestrischen Zivilisationen geradezu „gottähnlich sind, mit Fähigkeiten an der Grenze zu Allwissenheit und Allmacht“, wie es Peter Ulmschneider formuliert. Der Astrophysik-Professor an der Universität Heidelberg rechnet mit über zwei Millionen intelligenten Völkern in der Milchstraße. Wenn eine solche Zivilisation im Durchschnitt 10 Millionen Jahre lang existiert, müssten 99,8 Prozent allerdings bereits ausgestorben sein. Die mittlere Distanz der verbliebenen 4000 betrüge 1700 Lichtjahre, schließt Ulmschneider aus seinen Wahrscheinlichkeitsüberlegungen und Modellrechnungen.

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KOLONISATION DES ALLS

Das ist alles Spekulation. Aber wenn es andere Zivilisationen gibt, sollten wenigstens ein paar von ihnen über eine viel höher entwickelte Technologie als wir verfügen. Dann hätten sie wohl bereits begonnen, ihre Umgebung mit Generationen-Raumschiffen zu kolonisieren. Oder sie hätten Roboter gebaut, die durchs All kreuzen und sich vermehren können, indem sie bei Sternen Energie tanken und auf Planeten die notwendigen Rohstoffe sammeln. Auf diese Weise könnten die Automaten die ganze Milchstraße innerhalb von 10 bis 100 Millionen Jahren durchstreifen. Im kosmischen Maßstab und im Vergleich mit dem Alter der Galaxis von über zehn Milliarden Jahren ist das eine kurze Zeitspanne. „Wo sind also die Außerirdischen oder ihre Boten?“, fragte schon 1950 der Physik-Nobelpreisträger Enrico Fermi den Kernphysiker Edward Teller bei einer skeptischen Diskussion über Ufos, zu der es beim Mittagessen in der Kantine des Los Alamos National Laboratory in New Mexico kam. Diese Frage, das „Fermi-Paradoxon“, hat zu einer Flut von Reaktionen geführt – nicht nur bei Wissenschaftlern. Auch der polnische Schriftsteller Stanislaw Lem hat immer wieder betont, dass das Schweigen des Alls eines der größten Rätsel sei.

Das Fermi-Paradoxon basiert auf vier Annahmen:

(1) Unsere Zivilisation ist nicht die einzige technologische in der Milchstraße.

(2) Unsere Zivilisation ist durchschnittlich oder typisch – und somit nicht die erste, nicht die am weitesten fortgeschrittene und nicht die einzige, die Kontakt sucht.

(3) Interstellare Reisen sind nicht zu schwierig für hoch entwickelte Zivilisationen.

(4) Eine Kolonisierung der Galaxis durch Roboter oder mit Generationenraumschiffen geht relativ schnell, in weniger als einer Jahrmilliarde.

Wissenschaftler und Philosophen haben inzwischen viele verschiedene Lösungsvorschläge für das Fermi-Paradoxon diskutiert. Meistens stellten sie dabei eine oder mehrere dieser vier Annahmen in Frage.

ZOO-Hypothese und Wilderer

Gemäß der „Hypothese von der Einsamen Erde“ machen sich die Außerirdischen nicht bemerkbar, weil es sie gar nicht gibt. Es existieren also keine uns technisch hinreichend überlegenen extraterrestrischen Kulturen – zumindest nicht in der Milchstraße. Möglicherweise hatte die Evolution einfach noch nicht genug Zeit, und die nötigen Bedingungen sind zu unwahrscheinlich. Doch vielleicht wimmelt es auch von technischen Zivilisationen, aber sie haben ihre Welten aus irgendwelchen Gründen niemals verlassen. So könnte ihre Lebensdauer einfach zu kurz sein, weil sie sich aufgrund primitiver Denkweisen und Instinkte selbst zerstört haben. Das hatte schon Fermi befürchtet – und viele schlossen sich ihm an. Oder die Außerirdischen wollen aus Angst, Desinteresse oder philosophischen Überlegungen heraus gar keinen Kontakt. Denkbar ist ferner, dass es ihnen gelungen ist, ihre Fortpflanzung derart zu beschränken, dass eine Kolonisation des Weltraums für sie nicht nötig oder attraktiv ist. Vielleicht sind sie über solche Fantasien auch weit erhaben und verharren lieber in geistiger Selbstgenügsamkeit. Oder sie haben sich für technische Stagnation entschieden – was freilich ihre Überlebenschancen langfristig mindern würde. Denn sie wären beispielsweise Meteoriten-Einschlägen wehrlos ausgesetzt, die im Zeitraum von einigen Hundert Millionen Jahren unweigerlich jede Zivilisation gefährden (bild der wissenschaft 1/2004, „Bomben aus dem All“). Vielleicht haben die ETs die Erde aber auch schon früher besucht, als hier noch tumbe Dinosaurier herumstapften, und der Entwicklung von Intelligenz deshalb keine große Chance eingeräumt.

Doch möglicherweise sind die Außerirdischen längst hier – und dabei braucht man nicht gleich an UFOs oder Astronautengötter zu denken, die die irdische Zivilisation fördern oder unterdrücken wollen. Auch nicht an extraterrestrische Geheimagenten mitten unter uns. Der aus Ungarn stammende Physiker Leó Szilárd, der 1942 mit Fermi den ersten Kernreaktor baute und maßgeblich bei der Entwicklung der Atombomben mitwirkte, scherzte einmal: „Sie leben bereits unter uns, aber wir nennen sie Ungarn.“ Der Radioastronom John A. Ball vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics meinte es dagegen ernst, als er 1973 vermutete, dass uns die Außerirdischen unter Quarantäne halten und wie Tiere in einem Naturschutz-Reservat oder Zoo studieren. Vielleicht sind wir sogar Teil ihrer Experimente in einem Labor. Oder sie fürchten sich vor unseren Atomwaffen oder haben – die Fernsehserie „Raumschiff Enterprise“ lässt grüßen – die oberste Direktive, sich nicht in fremde Angelegenheiten einzumischen.

Tarnen und Täuschen

Dass wir die Außerirdischen in einem solchen Fall entdecken könnten, ist unwahrscheinlich. „Zivilisationen, die interstellare Raumfahrt betreiben, werden wohl in der Lage sein, sich geeignet zu tarnen“, ist Hans-Ulrich Keller überzeugt, Professor an der Universität Stuttgart und bis 2008 Direktor des Stuttgarter Planetariums. „Wenn wir mit einem Fernglas einen Ameisenhaufen beobachten, haben die Ameisen auch keine Möglichkeit, sich von unserer Existenz zu überzeugen.“ Dennoch könnten wir versuchen, nach Beobachtungsposten zu fahnden. Der Radioastronom und Ingenieur Ron Bracewell von der Stanford University hat deshalb vorgeschlagen, nach fremden Raumsonden im Sonnensystem zu suchen, die vielleicht die irdische Entwicklung beobachten. Gute Plätze wären die Librationspunkte, die unserem Mond um 60 Grad vorauslaufen beziehungsweise nacheilen und himmelsmechanisch äußerst stabil sind. Mehrere Astronomen-Gruppen haben dort und anderswo mit optischen Teleskopen und Radar bereits gesucht – ohne Erfolg. Künstliche Gegenstände von einigen Metern Größe hätten so durchaus entdeckt werden können. Freilich: Wer weiß, welche raffinierten Tarntechniken die Außerirdischen entwickelt haben oder wo überall sie ihre Forschungssonden versteckt halten – im Planetoidengürtel beispielsweise würden wir sie wohl kaum erkennen können.

Wenn wir freilich in einem galaktischen Wildreservat leben, gibt es vielleicht „Wilderer“, die uns auffallen müssten, lautet ein Einwand des Radioastronomen Sebastian von Hoerner. Womöglich ist doch etwas dran an den Entführungsgeschichten, die immer wieder durch die Boulevard-Medien geistern, überlegte er scherzhaft. Andererseits könnten uns die Außerirdischen aufgrund unserer Aggressivität bewusst meiden – oder um uns vor einem Schock zu bewahren. Vielleicht sind wir (noch?) nicht reif für den Galaktischen Club der Superzivilisationen, wie ihn sich Ron Bracewell ausgemalt hat. „Es muss sich um friedfertige, uns geistig und moralisch haushoch überlegene Wesen handeln. Sie haben die gesamte Galaxis unter Kontrolle. Entstehen irgendwo neue Intelligenzen, so werden sie zunächst beobachtet, und man vermeidet, mit ihnen in Kontakt zu treten“, spekuliert Hans Ulrich Keller über diese Embargo-Hypothese. „Überwinden die Neulinge – etwa wir Menschen – ihre aggressiven Verhaltensweisen nicht, dann werden sie sich nach Erreichen eines entsprechenden technischen Standards selbst zerstören, bevor sie interstellare Raumfahrt betreiben können. Wir Menschen haben die Aufnahmeprüfung noch nicht abgelegt. Ob wir sie bestehen, ist eine offene Frage. Vielleicht katapultieren wir uns bald aus der Evolution hinaus.“ Das steht durchaus zu befürchten. So befinden sich auf unserem Heimatplaneten schätzungsweise drei Tonnen Sprengstoff pro Person. Und wenn sich die Menschheit weiter so rasant vermehrt wie gegenwärtig, würde „die Weltbevölkerung im Jahr 2600 Schulter an Schulter stehen, und ihr Stromverbrauch würde die Erde zum Glühen bringen“, wie der britische Kosmologe Stephen Hawking einmal ausgerechnet hat. Angesichts solcher düsteren Zukunftsaussichten stellt SETI-Pionier Frank Drake immer wieder die umgekehrte Frage: „Gibt es eigentlich intelligentes Leben auf der Erde?“

DER HIMMEL – EIN PLANETARIUM?

Auch der britische Science-Fiction-Autor Stephen Baxter findet die Embargo-Hypothese plausibel. Er hat sie durch die Planetarium-Hypothese ergänzt, wonach die Außerirdischen unseren Himmel gleichsam abschirmen, damit wir nichts von den interstellaren Aktivitäten mitbekommen. Wir würden dann quasi in einem kosmischen Illusionstheater leben. Alle diese soziologischen Spekulationen haben laut Nikos Prantzos vom Institut für Astrophysik in Paris aber einen Schwachpunkt: „Es ist schwer zu glauben, dass jede von ihnen für jede einzelne Zivilisation in der Galaxis zutrifft. Mindestens eine hypothetische Zivilisation sollte die Selbstzerstörung vermeiden, die interstellare Raumfahrt entwickeln und die Milchstraße kolonisieren können. Alle Tierarten auf der Erde, die das Produkt der natürlichen Selektion sind, haben irgendwann ein Stadium der rasanten Vermehrung durchlaufen, weil das ihre Überlebenschancen maximiert.“ Die soziologischen Hypothesen – das Kommunikations-Tabu eingeschlossen – widersprechen der Annahme (2): unserer Durchschnittlichkeit. „Das erscheint mir extrem fraglich“, meint Prantzos. „Es wäre etwas anderes, wenn es eine gut fundierte soziologische Theorie gäbe, die das besagt.“ Gewichtiger sind die Ablehnung der Annahmen (3) und (4) – also dass sich interstellare Reisen leicht und relativ rasch bewerkstelligen lassen, zumindest für Roboter. Bereits Enrico Fermi und der Astronom Fred Hoyle bezweifelten diese Prämissen. Und Rasmus Bjork hat kürzlich eine Hochrechnung veröffentlicht, derzufolge die Ressourcen einer Zivilisation höchstens ausreichen, um innerhalb von zehn Milliarden Jahren etwa vier Prozent der Milchstraße zu erkunden. Das wäre der Fall, so der Physiker vom Niels-Bohr-Institut in Kopenhagen, wenn acht interstellare Raumsonden mit einem Zehntel der Lichtgeschwindigkeit durchs All kreuzen und jeweils acht Sonden aussenden würden, die dann dasselbe tun. „Ohne spezielle Antriebe brauchen die Außerirdischen Jahrmillionen, um uns zu finden“, sagt Bjork. „Es gibt so viele Sterne in der Milchstraße, dass Intelligenz anderswo wahrscheinlich ist. Aber wir werden in unserer Lebenszeit keinen Kontakt aufnehmen können.“

Die einsame Erde

Allerdings: Viele Forscher teilen Bjorks Annahmen nicht. Interstellare Reisen und Kolonisierungen sind anfangs schwierig und teuer, das ist unstrittig. Doch technische Hürden werden normalerweise früher oder später immer gemeistert. Diese Argumentation ist freilich Wasser auf die Mühlen der Skeptiker. Dazu gehören der amerikanische Astronom Michael Hart vom Trinity College in Connecticut und der Physiker Frank Tipler von der Tulane University in New Orleans. Sie bezweifeln Prämisse (1) und glauben, die Menschheit sei die erste Zivilisation in der Milchstraße. Das schließt nicht aus, dass in anderen Galaxien intelligente Wesen existieren und sich ähnliche Fragen stellen. Aber aufgrund der riesigen Entfernungen wären wir vermutlich für immer durch Raum und Zeit von ihnen getrennt.

„Soweit wir wissen, sind wir allein in einem Universum auf einem Planeten mit der interessantesten und komplexesten Sippschaft, die die Evolution hervorgebracht hat. Wenn das ,allein sein‘ heißt, dann sind wir allein“, kommentierte der britische Science-Fiction-Autor Brian W. Aldiss. Sein 2008 verstorbener Kollege Arthur C. Clarke sah darin eine ungeheure Verantwortung. „Wenn wir tatsächlich die einzigen Erben der Galaxis sind, haben wir die Pflicht, sie und uns zu erhalten.“ Auch Michael Papagiannis, Astronom und SETI-Pionier von der Boston University, ist überzeugt, „dass wir die einzigen Fackelträger der Flamme kosmischen Bewusstseins in der Milchstraße sind“, und das müsste unserem Weltbild und Handeln ein viel größeres Verantwortungsbewusstsein geben. Da sich die Nichtexistenz außerirdischer Zivilisationen prinzipiell nicht beweisen lässt, muss die Frage, ob es diese Existenzen gibt, so lange offen bleiben, bis wir auf ein Indiz stoßen.

Dem bislang gut bewährten Axiom „Nichts ist einmalig“ und dem Prinzip der Mittelmäßigkeit zufolge gibt es keinen Grund anzunehmen, dass wir etwas Besonderes sind: Der Mensch steht weder mit der Erde noch mit der Sonne noch mit der Milchstraße im Mittelpunkt des Weltalls – das überhaupt kein Zentrum hat; und unser Universum ist vielleicht sogar nur eines unter unzähligen anderen. Aber aus all dem folgt nicht zwingend, dass auch anderswo Leben existiert. Somit ist die Beweislast klar: Nicht der Skeptiker, sondern der Befürworter muss zeigen, dass außerirdische Zivilisationen existieren. Dies kann nur durch empirische Forschung geschehen, nicht bloß durch Nachdenken. Das ist das stärkste Argument für SETI.

Die sUCHE LOHNT SICH AUF JEDEN FALL

„Dieses Unternehmen gehört zu den wenigen menschlichen Aktivitäten, bei denen selbst der Misserfolg Erfolg bedeutet“, schrieb der 1996 verstorbene Astronom Carl Sagan, einer der einflussreichsten Pioniere und prominentesten Mitarbeiter von SETI. „Falls irgendwann extraterrestrische Intelligenz gefunden werden sollte, dann wird sich unsere Ansicht über das Universum und über uns selbst für immer ändern. Und wenn wir nach einer langen und systematischen Suche nichts finden sollten, dann haben wir vielleicht die Seltenheit und Kostbarkeit des Lebens auf der Erde wissenschaftlich bestätigt. Die Suche lohnt sich so oder so.“

Sagan hatte sich den Erstkontakt 1985 in seinem Science Fiction-Roman „Contact“ ausgemalt: „Stellen Sie sich vor, sie schicken uns von da draußen Signale, und niemand auf der Erde hört sie. Das wäre ein Witz, ein schlechter Witz. Würden Sie sich nicht für unsere Zivilisation schämen, wenn wir in der Lage wären, sie zu hören, aber nicht die Geduld dazu aufbrächten?“ Zwar mag die Behauptung anmaßend klingen, wir seien die einzigen intelligenten Wesen in der Milchstraße. Doch solange das Gegenteil nicht bewiesen ist, gibt es nur eine Möglichkeit, unsere Neugier zu stillen: Wir müssen versuchen, den Himmel nach außerirdischen Funkbotschaften abzuhören. Dazu raten auch Skeptiker wie der Paläontologe Peter Ward von der University of Washington, Seattle, und der Astronaut Ulrich Walter von der Technischen Universität München, die die Menschheit für die bislang einzige technische Zivilisation in der Milchstraße halten. Doch weil sich das nicht beweisen, sondern nur widerlegen lässt, ist SETI unerlässlich. „Wir sollten die Suche fortsetzen“, empfiehlt daher auch Peter Ward.

Tatsächlich hat die Suche jetzt erst richtig begonnen. Wie wenig wir von unserer kosmischen Umgebung radioastronomisch überhaupt wissen, verdeutlicht Jill Tarter, die Direktorin des SETI-Instituts, mit einem Vergleich: „Es ist, als würde jemand mit einem Schnapsglas aus dem Meer eine Probe entnehmen und daraus, dass er nichts im Wasser sieht, schließen, dass es keine Fische in den Ozeanen gibt.“ ■

von Rüdiger Vaas

Das Ozma-Projekt

Vor 50 Jahren begann Frank Drake, ein damals 30-jähriger Radioastronom, mit der Suche nach außerirdischen Zivilisationen. Weil das Thema, das er ganz nüchtern wissenschaftlich-rational anging, als unseriös galt, hielt sein Vorgesetzter Otto Struve, der Leiter des National Radio Astronomy Observatory bei Green Bank in West Virginia, die Aktion zunächst geheim. Aber er unterstützte sie. Und so begann Drake am 8. April 1960 mit dem neuen 26-Meter-Teleskop von Green Bank nach Radiosignalen von den beiden nahen sonnenähnlichen Sternen Tau Ceti und Epsilon Eridani zu suchen. Das geschah in einem 400 Kilohertz breiten Bereich um die Frequenz des kosmischen Wasserstoffs bei 1420 Megahertz. Insgesamt rund 150 Stunden lang – sechs Stunden täglich über vier Monate verteilt – nahm Drake die Strahlung auf Magnetband auf und durchsuchte sie später nach Auffälligkeiten. Abgesehen von einem Signal eines geheimen militärischen Experiments hatte er freilich nur zufälliges Rauschen registriert.

Trotzdem war Projekt Ozma ein Erfolg. Benannt hatte es Drake nach der sagenhaften Prinzessin und ihrem von bizarren Lebensformen bevölkerten Land im 1907 erschienenen Märchen „Ozma von Oz“. Darin hatte der amerikanische Kinderbuchautor Lyman Frank Baum schon die Sendung von Radiosignalen thematisiert. Erfolgreich war das Ozma-Projekt, weil es zeigte, wie sich theoretisch Botschaften von anderen Planetensystemen aufspüren lassen – und vor allem, weil es die ernsthafte Suche danach anstachelte und motivierte. Seither gab es rund ein Dutzend immer aufwendigerer Suchprojekte. Aber richtig los geht es erst jetzt – mit dem Allen Telescope Array. Es wird vom SETI-Institut gemanagt, das 1984 in Kalifornien gegründet wurde und dessen erster Direktor Frank Drake war.

Stöbern im kosmischen Wasserloch

Die Geschichte des Radios begann 1896. Damals übertrug der italienische Ingenieur und spätere Physik-Nobelpreisträger Guglielmo Marconi mit der von ihm erfundenen geerdeten Dipol-Sendeantenne die ersten Radiosignale drei Kilometer weit. 1899 funkte er über den Ärmelkanal, 1901 schon 3700 Kilometer transatlantisch von London nach Neufundland. Und 1922 war er der erste Mensch, der nach Radiosignalen von außerirdischen Intelligenzen forschte, als er versuchte, Langwellen um zwei Kilohertz von Marsbewohnern zu empfangen. Die ersten Radiowellen aus dem All entdeckte zehn Jahre später der amerikanische Ingenieur Karl Jansky. Um intelligente Botschaften handelte es sich aber nicht.

Die SETI-Projekte suchen vor allem im „kosmischen Wasserloch“ nach Radiosignalen. Denn dieser Mikrowellen-Frequenzbereich zwischen den Emissionslinien von atomarem Wasserstoff H und dem Hydroxyl-Radikal OH – 1,42 bis 1,64 Gigahertz – wird als besonders aussichtsreich beurteilt. Darauf hatten die Physiker Giuseppe Cocconi und Philip Morrison erstmals 1959 in einem Artikel in der Fachzeitschrift „nature“ hingewiesen. Hintergrund ist die anthropomorphe Logik, dass Wasser (H2O) als „ Lebenselixier“ auch erdähnlichen Kollegen im All als geeignete Markierung unter der Riesenauswahl möglicher Frequenzbänder erscheint. Das ist selbstverständlich nicht zwingend, und SETI sucht auch in anderen Frequenzbereichen – aber irgendwo muss man ja anfangen. Auch sind die Mikrowellen leicht detektierbar, weil sie durch die Atmosphäre auf den Erdboden gelangen. Und sie durchdringen im Gegensatz zu Licht kosmische Gas- und Staubwolken, sind also auch aus weit entfernten galaktischen Regionen messbar.

Es gibt zwei gegenläufige Strategien:

· eine gezielte Suche mit hoher Empfindlichkeit bei nahen Sternen,

· eine weniger empfindliche Durchmusterung von großen Himmelsarealen mit vielen Sternen.

Eine Kompromisslösung ist die Suche in dichten Sternfeldern, das heißt in speziellen Bereichen der Galaktischen Ebene, Sternhaufen und benachbarten Galaxien. Mit 100 sorgfältig ausgewählten Zielregionen lassen sich Millionen von Sternen in der Milchstraße und Milliarden in anderen Galaxien sehr effektiv durchmustern.

Das neue Allen Telescope Array wird abwechselnd alle drei Strategien verfolgen. Eine Million Sterne werden so genau anvisiert, dass Radarsignale dortiger Zivilisationen noch in 1000 Lichtjahren Entfernung entdeckt würden, wenn sie so stark sind wie die vom irdischen Arecibo-Teleskop auf Puerto Rico. Hinzu kommen weitere vier Milliarden Sterne in der inneren Galaktischen Ebene und mindestens 250 000 extragalaktische Radioquellen.

Kompakt

· Nie war die Suche nach Signalen außerirdischer Intelligenzen, die 1960 in den USA mit dem „Project Ozma“ begann, so effektiv wie heute.

· Wissenschaftler diskutieren heftig, warum wir nicht längst von unseren kosmischen Nachbarn erfahren haben, falls es sie denn in der Milchstraße gibt.

· Vielleicht wird die Erde boykottiert, oder die Außerirdischen hatten noch nicht genug Zeit – oder sie haben sich längst selbst zerstört.

AUSSERIRDISCHE ALS PROJEKTION

Seit 50 Jahren suchen Astronomen nach extraterrestrischen Zivilisationen – mit denen Sie als Science-Fiction-Autor fast täglich Umgang haben. Wie muss man sich das vorstellen?

Mit einem menschlichen Gehirn versehen, kann ich mir leider nichts wirklich anderes vorstellen als das Menschliche. Meist sind meine außerirdischen Figuren deswegen Verschnitte aus Verhaltensweisen und Vorstellungen zeitlich oder räumlich weit entfernter menschlicher Kulturen einerseits und aus Leibern andererseits, die ich aus „Grzimeks Tierleben“ entleihe – das Leben hienieden ist unerschöpflich wunderbar.

Sind die Extraterrestrier nicht bloß eine Projektion irdischer Sehnsüchte und Ängste an den Himmel?

Ja, wenn auch leicht ins Groteske verzerrt. Dabei zeigen alle Außerirdischen gewisse Eigenarten, die ich für Universalien des Lebens halte: Das Leben will leben, sich erhalten und sich dokumentieren. Warum sollte das unter dem Licht einer roten oder blauen Sonne, unter der halben oder der hundertfachen Schwerkraft der Erde anders sein?

Sie schreiben auch für die Romanserie „Perry Rhodan“, die seit 1961 wöchentlich erscheint. Wie hat sich seither das Bild der Außerirdischen verändert?

Anfangs waren sie meist schiere Widersacher – nur von außen betrachtete Figuren. Nach Äußerlichkeiten bezeichnete man sie auch: Kreaturen mit blauem Fell hießen Blues, solche mit zwei Nasen Twonoser. Heute sind wir neugieriger auf das Innenleben der Fremden. Sie wollen, wie wir, das Gute. Aber darüber, was gut ist und erstrebenswert, gehen die Fan-tasien auseinander – erst recht in den unendlichen Weiten des Weltalls.

Wenn Sie E-Mail-Kontakt mit Außerirdischen bekämen, was würden Sie fragen?

Was ist für Sie Glück?

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Lesen

Umfassende Informationen zur Suche nach außerirdischen Intelligenzen und zum Fermi-Paradoxon:

Harald Zaun S.E.T.I. – Die wissenschaftliche Suche nach auSSErirdischen Zivilisationen Heisoft, Bergisch Gladbach 2010, € 16,–

Stephen Webb Where Is Everybody? Praxis, New York 2002, € 25,99

Peter Ulmschneider Intelligent Life in the Universe Springer, Berlin 2006, € 85,55

Internet

Allen Telescope Array (ATA): www.seti.org/ata

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