Bei Menschen mit Autismus ist das typisch männliche Gehirnprofil übermäßig stark ausgeprägt. Das vermuten britische Forscher ausgehend von den bereits in mehreren Studien nachgewiesenen Unterschieden im Gehirn von Mann und Frau und den unterschiedlichen typischen Verhaltensmustern. Sie entwickelten daraus eine Theorie, wonach typische Merkmale eines männlichen Gehirns bei Autisten übersteigert auftreten. Das könnte auch erklären, warum die Störung häufiger bei Männern als bei Frauen auftritt.
Männer neigen eher zum Systematisieren: Sie analysieren ein System anhand seiner Regeln und versuchen dadurch, sein Verhalten vorherzusagen. Eine solche Vorliebe für Regeln und Systeme ist bei Autisten teilweise extrem übersteigert ausgeprägt. Ihr Verhalten ist charakterisiert durch stereotype Verhaltensweisen und Besessenheit mit Regelsystemen wie Fahrplänen. Frauen dagegen zeigen mehr Sinn für Empathie. Sie versuchen, sich in andere Personen hineinzuversetzen und dementsprechend zu reagieren. Hier spielen Emotionen eine wichtige Rolle, bei denen Autisten häufig starke Defizite aufweisen.
Auch auf neuroanatomischer Ebene bestehen Geschlechtsunterschiede: Bei Jungen etwa weisen bestimmte Gehirnregionen ein stärkeres Wachstum auf als bei Mädchen. Zudem haben Männer zwar ein größeres Gehirn, dafür ist bei ihnen die Vernetzung zwischen weiter auseinander liegenden Abschnitten weniger stark ausgeprägt. Diese mangelnde Fähigkeit wird häufig auch bei Autisten beobachtet. Weitere Untersuchungen, beispielsweise mit anatomischen Studien, sollen die Theorie der Forscher nun bestätigen.
Simon Baron-Cohen ( Universität in Cambridge, GB) et al.: Science (Bd. 310, S. 819). ddp/wissenschaft.de ? Martina Feichter