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Bedrohten Mönchsrobben droht Lärmangriff

Konflikt von Forschung und Artenschutz im Mittelmeer

Bedrohten Mönchsrobben droht Lärmangriff
Mönchsrobbe mit Jungtier
Eine Mönchsrobbe mit Jungtier (Foto: CBD-Habitat)
Ausgerechnet den gefährdeten Mönchsrobben im Mittelmeer könnte eine Lärmattacke bevorstehen. Denn US-Wissenschaftler planen, mitten im Verbreitungsgebiet der vom Ausserben bedrohten Robben, Schallkanonen zu Forschungszwecken einzusetzen. Meeresschützer protestieren. Das Projekt verstößt gegen Bestimmungen zum Schutz der Meeressäuger .

Schon länger ist bekannt, dass Unterwasserlärm Wale, Robben und andere Meeressäuger empfindlich stören kann. Vor allem Sonarsysteme im mittel- und niederfrequenten Bereich, wie sie beispielsweise bei Militärübungen eingesetzt werden, behindern die Orientierung der Tiere und sind daher wahrscheinlich mitschuld an Massenstrandungen von Walen. Bei manchen Wal-Arten führt der enorme Lärm sogar zu physischen Schäden mit tödlichem Ausgang.

Erst vor kurzem zog die US-Marine daraus eine erste Konsequenz – nachdem Naturschutzorganisationen gegen lärmintensive Übungen in einigen Gebieten im Pazifik geklagt hatten. Gemäß der vor Gericht getroffenen Vereinbarung verzichtet die US-Marine in den kommenden drei Jahren auf die Nutzung aktiver Sonarsysteme und anderer gefährlicher Technologien in für Wale und Delfine wichtigen Gebieten vor Hawaii und Kalifornien.

Seismisches Projekt in der Ägäis

Jetzt jedoch planen Forscher des Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia University im Mittelmeer ein Projekt, das ausgerechnet die extrem seltenen Mönchsrobben gefährden könnte. Diese Robbenart gilt als die am stärksten gefährdete Meeressäugetierart Europas. Der Gesamtbestand wird im östlichen Mittelmeer auf knapp 300 und im gesamten Mittelmeer auf maximal 450 Individuen geschätzt.

Ziel des Projekts ist die genauere Untersuchung des Meeresgrunds in der Ägäis. Dafür wollen die Forscher Ende 2015 an 30 Tagen und insgesamt 384 Stunden seismische Messungen durchführen. Sie erzeugen dafür unter Wasser alle zehn bis 15 Sekunden einen Schallimpuls von mehr als 240 Dezibel. Das Echo der Schallwellen, die mehrere hundert Meter in die Erdkruste am Meeresgrund eindringen, wird mit 93 Empfängern registriert und danach analysiert.

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Lärm könnte Jungtiere zu Waisen machen

Die Naturschutzorganisation OceanCare warnt nun vor unwiderruflichen Folgen dieses Vorhabens: „Das Risiko ist einfach zu groß, besonders wenn man bedenkt, dass die vom Lärm verschreckten Mönchsrobben Jungtiere zurücklassen müssten, die ohne ihre Mütter wohl nicht überleben können“ sagt Sigrid Lüber, Präsidentin von OceanCare.

Gleichzeitig sehen die Meeresschützer in dem Projekt einen klaren Verstoß gegen gültige Artenschutzbestimmungen. Mönchsrobben und viele Walarten sind durch internationale Verträge, wie beispielsweise durch die Bonner Konvention, die Biodiversitätskonvention, aber auch durch Walschutzabkommen im Mittelmeer ausdrücklich geschützt. Das für die Untersuchungen vorgesehene Gebiet wurde zudem von der Biodiversitätskonvention als ökologisch und biologisch wertvolle Zone ausgezeichnet.

Verbreitungsgebiet der Mönchsrobben (rot)

Verbreitungsgebiet der Mönchsrobben (rot) und geplantes Projektgebiet (gestreift) (Grafik: OceanCare)

Keine Rücksicht auf Schutzgebiete

Bisher allerdings hat der theoretische Schutz auf dem Papier den Meeressäugern in der Ägäis kaum etwas genutzt: In der Vergangenheit haben griechische Behörden seismische Tests, die bei der Suche nach Bodenschätzen eingesetzt werden, ohne große Auflagen genehmigt. Auch der durch die NATO verursachte Unterwasserlärm wurde in der zentralen Ägäis ohne Risikominimierung geduldet. Als Folge gab es mehrfach Walstrandungen, zuletzt strandeten 2014 zehn Schnabelwale vor Kreta nach einer Militärübung.

Ähnlich verheerende Folgen könnten nun dem ohnehin nur noch mageren Bestand der Mönchsrobben in der Ägäis drohen. „Welchen Wert haben ein Schutzgebiet und die jahrelangen intensiven Bemühungen, die Mönchsrobben in der Ägäis vor dem Aussterben zu bewahren, wenn man dann die Tiere über mehrere Wochen zudröhnt“, fragt Lüber.

Protest in den USA und Europa

Die Meeresschützer hoffen nun jedoch, wenigstens die Mönchsrobben vor dem Lärm schützen zu können. Denn noch läuft die öffentliche Konsultation der US-Behörden für die von Lamont-Doherty Earth Observatory beantragten geophysikalischen Untersuchungen. Wenn die US-Marine im Pazifik auf Meeressäuger Rücksicht nehmen muss, so das Argument von OceanCare und ihrer US-Partnerorganisation NRDC, dann sollte gleiches auch für das Mittelmeer und zivile Projekte gelten. „Ein Schnabelwal im Mittelmeer ist genauso lärmempfindlich wie im Pazifik und der seismische Lärm ähnlich gefährlich wie der von Militärsonaren“, erklärt Lüber.

Quelle: OceanCare

© natur.de – Nadja Podbregar
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