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Bestäuber: Ozon vermiest Blütenduft

Erde|Umwelt

Bestäuber: Ozon vermiest Blütenduft
Tabakschwärmer lassen sich von Blütendüften anlocken und schweben beim Trinken flatternd in der Luft. (Anna Schroll)

Durch „bezaubernde“ Düfte weisen Pflanzen Bestäubern den Weg zu ihren Blüten. Doch offenbar können Luftschadstoffe diesen Effekt beeinträchtigen: Bei hohen Ozonwerten riechen Blüten für Falter weniger verlockend, geht aus einer Studie an dem Modellinsekt Tabakschwärmer hervor. Obwohl die Bestäuber den Untersuchungen zufolge lernen können, dass auch „belastete“ Düfte Nektar verheißen, ist die möglicherweise weit verbreitete Beeinträchtigung der Kommunikation zwischen Pflanzen und Insekten bedenklich, sagen die Forscher.

Luftschadstoffe wie das Ozon belasten bekanntlich die menschliche Gesundheit. Doch nicht nur wir sind ihnen ausgesetzt – es liegt nahe, dass auch Insekten unter den Substanzen in der Luft leiden können. Bisher ist allerdings wenig bekannt, wie sich die Luftveränderungen etwa auf die Kommunikation zwischen Blüten und ihren Besuchern auswirken. Bei der Bestäubung handelt es sich um eine entscheidende Ökosystemdienstleistung, die neben Biene, Hummel und Co auch von den Schmetterlingen und Nachtfaltern übernommen wird. Neben visuellen Reizen leiten viele Pflanzen die Insekten auch durch Düfte zu ihren Blüten. Dabei handelt es sich um chemische Signale, für die das jeweilige Bestäuber-Insekt eine angeborene Vorliebe besitzt, die sich im Laufe der langen gemeinsamen Evolution der Partner herausgebildet hat.

Riech-Tests mit Tabakschwärmern

Das internationale Forscherteam ist nun der Frage nachgegangen, ob vom Menschen verursachte hohe Ozon-Konzentrationen in der Luft beeinflussen, wie attraktiv Falter Blütenduft wahrnehmen. „Der Tabakschwärmer war das perfekte Modellinsekt für unsere Studie. Blüten, die Tabakschwärmer attraktiv finden, haben meist die gleichen chemischen Verbindungen in ihrem Duft,“ sagt Studienleiter Markus Knaden vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena.

Die Forscher untersuchten zunächst, wie das hochreaktive Ozon den Duft von Blüten verändert: Sie ermittelten mittels Gaschromatografie die Zusammensetzungen der flüchtigen Substanzen mit und ohne erhöhten Ozongehalt. Für die „belasteten“ Düfte verwendeten die Wissenschaftler Konzentrationen des Schadstoffs, die heute an heißen Tagen im natürlichen Lebensraum der Tabakschwärmer auftreten können. Die Reaktionen der Insekten testeten sie in Verhaltensexperimenten im Windkanal, wo die Tiere in Wahlversuchen dem Originalblütenduft und dem durch Ozon veränderten Duftgemisch ausgesetzt wurden.

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Wie die Forscher berichten, zeigte sich ein drastischer Effekt des Luftschadstoffs: „Wir waren überrascht, dass die Falter ihre angeborene Vorliebe für den Duft der Tabakblüten in Anwesenheit von Ozon völlig verlieren,“ resümiert Knaden das Ergebnis dieses Teilversuchs der Studie. Das Ergebnis implizierte dabei zwei mögliche Erklärungen: Entweder die Tabakschwärmer empfinden den Duft tatsächlich nicht mehr als verlockend, oder sie können ihre Nahrungsquelle nicht mehr orten. Um zu klären, was hinter den Beobachtungen steckt, untersuchten die Forscher, inwieweit die Falter lernen können, dass auch verunreinigte Blütendüfte eine süße Belohnung verheißen.

Lernfähig – doch reicht das aus?

Dazu testeten sie, ob Tabakschwärmer den anfangs unattraktiv wirkenden Ozon-Blütenduft als Nahrungshinweis erlernen können, wenn sie ihn riechen, während ihnen gleichzeitig Zuckerlösung verabreicht wird. Dazu entwickelten die Wissenschaftler ein Experiment, bei dem die Falter dem durch Ozon veränderten Duft zur Blüte folgen mussten. Dabei bestätigte sich, dass die Schmetterlinge umlernen können: Sie können durch Erfahrung lernen, den Ozon-Blütenduft mit Nahrung zu verbinden, zeigten die Experimente. Demnach ist nicht unbedingt ein langwieriger Evolutionsprozess für die Anpassung nötig. „Das Verhalten, das wir bei den Tabakschwärmern beobachten konnten, zeigt, dass sie neue Reize möglicherweise schnell lernen können, um mit ihrer sich rapide verändernden Umwelt zurechtzukommen,“ sagt Erstautorin Brynn Cook von der University of Virginia in Richmond.

Doch bedeutet das nun, dass Luftverschmutzung möglicherweise keine so wichtige Gefahr für Bestäubung und Bestäuber darstellt? Die Forscher sprechen sich gegen diese Schussfolgerung aus: „Lernen kann zwar ein Schlüssel dafür sein, dass Insekten trotz Luftverschmutzung oder veränderter klimatischer Bedingungen ihre Wirtspflanzen erkennen. Es bleibt jedoch unklar, inwieweit Bestäuber in der Natur überhaupt Gelegenheit zum Lernen haben, dass durch Ozon veränderte Blütendüfte Nahrungshinweise sein können. Zudem könnten andere Bestäuberarten weniger lernfähig sein als der Tabakschwärmer. Auf bestimmte Blüten spezialisierte Spezies sind möglicherweise beim Lernen nicht so flexibel,“ sagt Cook. „Unsere Untersuchung repräsentiert einen Ansatzpunkt für weitere. Jetzt brauchen wir vor allem Feldstudien, um die kritischen Fragen zu beantworten, welche Blüten und Insekten von welchen Schadstoffen am meisten betroffen sind und warum,“ sagt die Wissenschaftlerin abschließend.

Quelle: Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Originalpublikation: Journal of Chemical Ecology, doi: 10.1007/s10886-020-01211-4

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