„Augenroll – ich muss noch Vokabeln lernen!“ Diese Aufgabe ist nicht sonderlich beliebt bei Schülern, denn das Wörter-Pauken ist mühsam und oft frustrierend, weil sich die Begriffe gegen den Eintrag ins Gedächtnis zu sträuben scheinen. Doch es gibt Verbesserungsmöglichkeiten – das Stichwort heißt: multisensorische Lerntheorie. An vielen Schulen und Sprachkursen hat sich bereits gezeigt, dass sich Vokabeln leichter lernen lassen, wenn beispielsweise nicht nur das Wort, sondern auch ein passendes Bild vermittelt wird. Die Forscher um Katja Mayer vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig haben den Effekt dieses Konzepts nun bestätigt und neue Aspekte aufgedeckt.
Beiß in den imaginären „Apple“!
Bei ihrer Studie nutzten sie eine kurios wirkenden Kunstsprache, die sie selbst entwickelt haben: Vimmi. So war sichergestellt, dass die Vokabeln für alle Studienteilnehmer gleichermaßen unbekannt waren. Die Probanden sollte sich nun eine Woche lang Vimmi-Substantive auf unterschiedliche Weise einprägen. Im ersten Experiment betrachteten sie ein zum Wort passendes Bild oder eine Geste, nachdem sie den Begriff gehört hatten. Beim zweiten Versuch malten sie das entsprechende Wort symbolisch in der Luft nach oder drückten es durch eine Geste aus.
Ergebnis: „Am besten konnten sich die Probanden an einen zu lernenden Begriff erinnern, wenn sie ihn selbst mit Gesten ausdrückten. Hörten sie den Begriff und seine Übersetzung und sahen zusätzlich ein Bild davon, konnten sie sich die Übersetzung ebenfalls besser merken. Das Nachzeichnen eines Begriffes und das Beobachten einer Geste unterschied sich dagegen nicht vom reinen Hören“, berichtet Mayer.
Mehr Hirnregionen werden aktiviert
Der Effekt der Lernstrategie spiegelte sich sogar in der Hirnaktivität der Probanden wider, zeigten Untersuchungen mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT). Wenn ein Proband nach der Lernphase einen mit Gesten gelernten Begriff übersetzte, wurden demnach Hirnregionen des Bewegungssystems aktiviert. Erkennbar war dies beispielsweise bei Wörtern, die während der Lernphase von Bildern begleitet worden waren: Nun zeigten Hirnbereiche des Sehsystems Aktivität. „Wenn wir beispielsweise einen zu lernenden Begriff mit einer Geste nachstellen, schaffen wir zusätzlichen Input, der dem Gehirn das Lernen erleichtert“, erklärt Co-Autorin Katharina von Kriegstein.
Fazit: Wir lernen mit allen Sinnen. Auch Schmecken und Riechen sowie Gefühle spielen dabei eine wichtige Rolle, sagen die Forscher. Doch funktioniert das multisensorische Lernen am effektivsten nach dem Motto: Je mehr Sinne, desto besser? „Wahrscheinlich ja“, sagt Kriegstein, „doch wie stark sich der Lernerfolg durch mehrere Sinne steigern lässt, wissen wir nicht“. Die einzelnen Sinneseindrücke sollten aber idealerweise zusammenpassen, meint die Wissenschaftlerin. „Wer also zum Beispiel das Wort für Apfel lernen will, sollte eine Apfel-Geste machen, einen Apfel schmecken oder ein Apfelbild betrachten“, resümiert von Kriegstein.