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Bio-Roboter produzieren eigene Babys

Skurrile Fortpflanzungsfähigkeit

Bio-Roboter produzieren eigene Babys
Ein „Pac-Man-Bio-Roboter“ (rot) sammelt lose Stammzellen in seiner Umgebung ein und verdichtetet sie zu einer Kugel (grün), die sich zu einem neuen Bio-Roboter entwickeln kann. (Bild: Douglas Blackiston)

Sie werden „Xenobots“ genannt – bei diesen aus Frosch-Stammzellen gezüchteten Bio-Robotern haben die Entwickler nun eine weitere erstaunliche Fähigkeit festgestellt: Die Designer-Wesen können sich selbst vermehren, indem sie durch ihre Bewegungen freie Zellen in einer Suspension zusammenballen. Dabei entstehen Xenobot-Kinder, die anschließend wiederum selbst neue Generationen hervorbringen können. Die Effektivität der ersten Generation lässt sich dabei durch ein C-förmiges Design steigern, zeigen die Experimente. Bei der sogenannten kinematischen Selbstreplikation handelt es sich um eine bisher von Lebewesen unbekannte Fortpflanzungsweise, heben die Forscher hervor.

Vom Menschen gemachte Winzlinge, die auf Missionen in komplexen Umgebungen geschickt werden können: Dieses futuristisch wirkende Konzept hat in den letzten Jahren immer mehr Gestalt angenommen. Forscher haben bereits teils mikroskopische Roboter mit Antrieb und bestimmten Fähigkeiten konstruiert. Das Baumaterial war dabei allerdings meist Metall oder Kunststoff und Magnetfelder sorgten beispielsweise für die Fortbewegung. Doch in den letzten zwei Jahren hielt dann ein neues Konzept Einzug in die Mikrorobotik: Ein US-amerikanisches Forscherteam präsentierte millimetergroße Roboter, die aus lebendigen Zellgeweben statt aus künstlichen Komponenten hergestellt sind. Das Baumaterial bilden bei diesem Konzept Stammzellen des Froschs Xenopus laevis. In Anlehnung an diesen Ursprung nennen die Wissenschaftler ihre Designer-Wesen Xenobots.

Flimmerhärchen machen mobil

Für die Herstellung ist nicht etwa Gentechnik nötig – das Verfahren beruht auf dem natürlichen Entwicklungspotenzial von Stammzellen: Die Forscher entnehmen Froschembryonen dieses Gewebe und teilen es unter dem Mikroskop in kleine Einheiten auf. Anschließend werden sie in Nährmedium kultiviert. Dabei kommt es dann zu einer erstaunlichen Entwicklung der kleinen Klumpen: Sie formen sich selbstständig zu kleinen Kugeln aus etwa 3000 Zellen, von denen sich einige spezialisieren. Auf der Oberfläche der Gebilde entstehen dadurch Geißel-artige Wimpern, die sich gerichtet bewegen. Bei Fröschen befinden sich solche sogenannten Zilien normalerweise auf Schleimhäuten und sorgen für den Abtransport von Fremdkörpern. Auf der Oberfläche der kugelförmigen Xenobots können sie hingegen für eine Fortbewegung des kleinen Zellhaufens sorgen.

Auf diese Weise können die Bio-Roboter Information aus ihrer Umwelt sammeln oder auch Partikel in einer Suspension „zusammenkehren“. Dieser zweite Effekt bildet nun die Grundlage der neuen Entdeckung: Als die Forscher einige Xenobots in einer Flüssigkeit mit freien Stammzellen schwimmen ließen, stellten sie fest, dass die Winzlinge das biologische Baumaterial zu kleinen Haufen zusammenschoben. Der Clou: Aus diesen Klumpen bildeten sich dann innerhalb von fünf Tagen ebenfalls Xenobots, die sich bewegen konnten. Eine Startgruppe hatte also für die Entwicklung von Nachkommen gesorgt.

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Eine „Pac-Man“-Form steigert die Fortpflanzungsfähigkeit

Einige der „Kinder“ konnten anschließend sogar erneut für eine weitere Generation sorgen, zeigten Experimente. Allerdings waren sie dabei nicht mehr so effektiv wie ihre „Eltern“, da sie aus weniger Zellen aufgebaut sind: Die Fortpflanzungsfähigkeit der kleineren Folgegeneration nimmt stark ab. „Es ist schwer, das System dazu zu bringen, sich weiter zu vermehren. Es stirbt deshalb normalerweise recht schnell aus“, sagt Erstautor Sam Kriegman von der Tufts University in Medford. Deshalb loteten die Forscher als Nächstes aus, ob sich die Fortpflanzungsfähigkeit durch eine bestimmte Formgebung der Elterngeneration verbessern lässt. Dazu kam ein auf künstlicher Intelligenz basierendes Computersystem zum Einsatz. Es kam zu dem Ergebnis, dass eine C-förmige Gestalt am besten dazu geeignet wäre, Zellen zu Klumpen zusammenzuschieben. So erzeugten die Wissenschaftler unter dem Mikroskop eine Elterngeneration von Xenobots, die aussehen wie „Pac-Man“ aus dem berühmten Videospiel der 1980er Jahre.

Bei Experimenten bestätigte sich dann, dass diese Versionen tatsächlich besonders viel Zellmaterial zusammenkehren konnten. Aus ihnen bildeten sich dann auch entsprechend große Kind-Xenobots mit einer erhöhten Fähigkeit zur weiteren Fortpflanzung. Mit den formoptimierten Eltern erreichten die Forscher schließlich vier Generationenfolgen. Mit anderen Worten: Die Pac-Man-Xenobots bekamen Kinder, Enkel, Urenkel und schließlich Ur-Ur-Enkel. Ihre C-Form geben sie dabei allerdings nicht weiter: Die Nachkommen besitzen die Kugelform und so werden sie am Ende ebenfalls zu klein, um eine weitere Generation hervorzubringen.

Bisher von Lebewesen unbekannt

Wie die Forscher erklären, handelt sich bei dem Phänomen um eine Form der Vermehrung, die als kinematische Selbstreplikation bezeichnet wird. Sie ist bisher nur auf der Ebene von Molekülen bekannt, aber bei Organismen wurde sie noch nie beobachtet. „Es handelt sich in unserem Fall um Froschzellen, die sich auf eine Art und Weise replizieren, die sich stark davon unterscheidet, wie etwa fertige Frösche dies tun: Kein Tier und keine Pflanze, die der Wissenschaft bekannt ist, repliziert sich auf diese Weise“, sagt Kriegman.

So ergeben sich den Forschern zufolge neben möglichen Nutzungsmöglichkeiten des Systems in der Bio-Robotik auch weitere interessante Hinweise aus den Beobachtungen: „Die Tatsache, dass diese einzigartige Replikationsstrategie spontan entsteht und sich nicht durch spezifische Selektion entwickelt, ist ein Beispiel für die Plastizität in biologischen Systemen. Obwohl die kinematische Selbstreplikation bei heutigen zellulären Lebensformen bisher nicht beobachtet wurde, könnte sie bei der Entstehung des Lebens von wesentlicher Bedeutung gewesen sein“, schreiben die Forscher.

Quelle: University of Vermont, Fachartikel: PNAS, doi: 10.1073/pnas.2112672118

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