Krokodile haben eine ungewöhnliche Taktik entwickelt, um auch reichhaltige Mahlzeiten schnellstmöglich verdauen zu können: Sie lassen kohlendioxidreiches Blut aus dem Körper nicht wie üblich zur Lunge fließen, sondern schleusen es über eine Art Abkürzung direkt zu den Verdauungsorganen. Auf diese Weise können sie die Produktion von Magensäure sehr schnell drastisch erhöhen, haben Colleen Farmer von der Universität von Utah in Salt Lake City und ihr Team beobachtet. Da die Reptilien bei einer einzigen Mahlzeit mehr als ein Fünftel ihres eigenen Körpergewichts verschlingen können, ist eine rasche, effiziente Verdauung für sie überlebenswichtig.
Zwar ist schon lange bekannt, dass die meisten Reptilien ihren Blutkreislauf umschalten können: Anstatt verbrauchtes Blut vom Herzen zur Lunge zu pumpen und so das darin enthaltene Kohlendioxid gegen Sauerstoff auszutauschen, wird das Blut an der Lunge vorbei und wieder zurück in den Körperkreislauf geschleust. Warum die Tiere das tun, war jedoch weitgehend unklar. Farmer und ihre Kollegen untersuchten daher den Blutfluss bei jungen
Mississippi-Aligatoren in einer Fastenperiode und direkt nach dem Fressen. Das Ergebnis: Die Umleitung des kohlendioxidreichen Bluts fand vor allem während der Verdauung statt.
In einem weiteren Test verschlossen die Forscher bei einigen Tieren chirurgisch die für die Umleitung nötigen Gefäße. Diese Alligatoren produzierten deutlich weniger Magensäure als diejenigen, die das Blut direkt in Richtung der Verdauungsorgane schleusen konnten, zeigte die Auswertung. Auch konnten sie Knochen von Beutetieren sehr viel schlechter verdauen.
Offenbar nutzen die Krokodile das saure Kohlendioxid als Grundstoff für die erhöhte Produktion der Magensäure, schließen die Wissenschaftler. Auf diese Weise können sie die zum Teil riesigen Fleischmengen, die sie zu sich nehmen, schneller zersetzen und außerdem verhindern, dass diese während der Zersetzungsphase zu faulen beginnen. Gleichzeitig sorgen Bikarbonate, die dank des hohen Kohlendioxidgehaltes des Blutes ebenfalls vermehrt gebildet werden, für ein pH-Gleichgewicht im Blut: Als Puffersubstanzen neutralisieren sie beispielsweise die Milchsäure, die sich bei den plötzlichen Bewegungen während eines Angriffs in den Muskeln der Tiere bildet. Als nächstes wollen die Wissenschaftler untersuchen, welchen Einfluss die Blutumleitung auf andere Verdauungsorgane wie Leber, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm hat.
Colleen Farmer (University of Utah, Salt Lake City) et al.: Physiological and Biochemical Zoology, Band 81, S. 125 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel