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Bonobos fühlen sich verpflichtet

Verhaltensforschung

Bonobos fühlen sich verpflichtet
Werden Bonobos bei der sozialen Fellpflege unterbrochen, nehmen sie das verbindliche Verhalten anschließend „treu“ wieder auf. (Bild: USO/iStock)

Interessante Parallele zum Menschen: Bonobos entwickeln eine Art Pflichtbewusstsein gegenüber Artgenossen, legt eine Verhaltensstudie nahe. Wenn die Menschenaffen bei einer gemeinsamen Tätigkeit unterbrochen werden, nehmen sie diese anschließend wieder mit demselben Partner auf. Bei der Störung sowie der Wiederaufnahme der Arbeit kommunizieren sie zudem besonders intensiv durch Laute und Gesten. Möglicherweise „entschuldigen“ sich Bonobos auf diese Weise für die Unterbrechung der „verbindlichen“ Verhaltensweise.

Kooperation und gegenseitige Unterstützung sind Schlüsselelemente des Erfolgs des Menschen. Unser komplexes Sozialverhalten ist dabei bekanntlich auch mit vielen Regeln verbunden – wer sie nicht einhält, hat mit ablehnenden Reaktionen seiner Mitmenschen zu rechnen. Zu diesem System gehört auch das Gefühl einer Verpflichtung gegenüber anderen, das in verschiedenen Kontexten in Erscheinung treten kann. Es prägt auch unser Verhalten bei gemeinsamen Tätigkeiten oder sozialen Aktivitäten wie etwa einem verbindlichen Gespräch. Werden Menschen dabei gestört – beispielsweise durch einen wichtigen Telefonanruf – äußert sich das Pflichtgefühl etwa in einer Entschuldigung für die Unterbrechung. Nach dem Ende des Telefonats führen die Partner die unterbrochene Interaktion dann in der Regel gemeinsam fort.

Zeigen sich auch Bonobos verbindlich?

Ist dieses mit dem Pflichtgefühl verbundene Verhalten ausschließlich menschlich oder zeigen es auch unserer nächsten Verwandten im Tierreich? Dieser Frage sind die Forscher um Raphaela Heesen von der Universität von Neuchâtel in einer Studie an 15 Bonobos (Pan paniscus) nachgegangen. Sie leben in einem sehr natürlichen Umfeld – im „Tal der Affen“ – einem zoologischen Park in Frankreich. Im Fokus der Studie stand das Fellpflegeverhalten – Bonobos putzen sich sowohl selbst, als auch andere. Die soziale Fellpflege könnte dabei am ehesten den verbindlichen Interaktionen beim Menschen entsprechen, erklären die Wissenschaftler.

Um Partner bei der gegenseitigen Fellpflege gezielt zu unterbrechen, riefen sie jeweils ein beteiligtes Tier beim Namen zu sich und gaben ihm einen Leckerbissen. Als zweite Störungsvariante öffneten die Forscher lautstark die Schiebetür des Geheges, was stets bei der gesamten Affengruppe für Aufregung sorgte. Was vor und nach den Störungen passierte, erfassten die Wissenschaftler durch Videoaufnahmen.

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Die Auswertungen des Verhaltens ergaben: In 80 Prozent der Fälle kehrten die Affen kurz nach der Unterbrechung zu genau demjenigen Partner zurück, dem sie zuvor das Fell gepflegt hatten, und machten sich wieder an die Arbeit. Hatten sie sich hingegen zuvor selbst das Fell geputzt, führte nur etwa die Hälfte der Tiere die eigene Körperpflege nach der Störung fort. Demnach liegt ein erhöhtes Engagement für dasselbe Verhalten vor, wenn ein Artgenosse beteiligt ist, folgern die Wissenschaftler. Sie sehen darin einen Hinweis für eine Art Pflichtgefühl der Bonobos, einen Partner nicht „hängenzulassen“, das den menschlichen Verhaltensweisen ähnelt.

Spezielle Kommunikation bei Unterbrechungen

Die Forscher stellten zudem fest, dass die Tiere bei der Unterbrechung und der Wiederaufnahme der Tätigkeit intensives Kommunikationsverhalten zeigen. Was die Affen dabei ausdrücken, bleibt natürlich Spekulation, aber es scheint möglich, dass die Botschaft mit dem Bruch des verbindlichen Verhaltens verbunden ist. Die Forscher stellten in diesem Zusammenhang auch fest, dass die Kommunikationsbemühungen von der Rangfolge und der sozialen Bindung zwischen den Partnern abhingen. „Wenn Sie in einem Meeting mit Ihrem Chef sind und Ihr Telefon klingelt, werden Sie sich deutlicher entschuldigen, als wenn Sie sich etwa mit einem Familienmitglied unterhalten“, verdeutlicht Heesen. Scheinbar ähnlich bemühten sich auch die Affen mehr, wenn sie es mit einem ranghöheren Tier zu tun hatten, berichten die Verhaltensforscher.

„Unsere Ergebnisse deuten unterm Strich darauf hin, dass Bonobos ein gewisses Bewusstsein für die sozialen Folgen einer Unterbrechung einer gemeinsamen Tätigkeit haben“, resümiert Heesen. Diesem interessanten Verhalten und den möglichen Kommunikationselementen, die es begleiten, wollen die Verhaltensforscher nun auch weiter nachgehen. Vielleicht ergeben sich daraus weitere Hinweise darauf, ob die Tiere ähnliche Botschaften wie der Mensch vermitteln: „Entschuldigung, ich komme gleich wieder“ oder „Tut mir leid wegen der Unterbrechung“.

Quelle: Universität von Neuchâtel, Fachartikel: Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.abd1306

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