Erythropoetin ist ein lebensrettendes Arzneimittel bei schweren Blutverlusten und bei Krankheiten, die zu Blutarmut führen. Gleichzeitig ist es ein beliebtes, aber illegales Dopingmittel für Ausdauersportler. Die Information über das menschliche Genom wird also Kenntnisse über viele Tausende von Eiweißen liefern und zum Aufsuchen von Wirkstoffen benutzt werden, die sich an diese Eiweiße binden, sie ersetzen, aktivieren oder blockieren. Menschliches Insulin ist ein Beispiel dafür: human-spezifisch und nur durch Übertragung des Gens in Bakterien in nennenswerter Menge herstellbar. Die Entwicklung und Einführung solcher Wirkstoffe ist eine teure Sache, die Investitionen können 100 Millionen Dollar betragen. Deshalb verlangen Firmen Schutzrechte, bevor sie investieren. Darf man aber Gene des Menschen patentieren? Darf man die Nutzung des Informationsguts aller Menschen, das Ergebnis der Evolution, auf diese Weise privatisieren? Welche in der Natur erfundene Substanz kann überhaupt als schutzrechtsfähig bezeichnet werden? Wann ist die Erkenntnis eine Entdeckung, wann ihre Anwendung eine Erfindung? Schließlich: Kann man ein Gen überhaupt als humanspezifisch deklarieren, wenn es in ganz ähnlicher, manchmal identischer Zusammensetzung auch bei Tieren vorkommt? Menschen-, Rinder- und Schweineinsulin unterscheiden sich in wenigen Bausteinen – ist das eine einzige Substanz oder sind das verschiedene? Eine wichtige Rolle wird genetische Information beim entscheidendsten Vorgang der Übertragung von Erbinformation im menschlichen Leben spielen: bei der Zeugung von Nachkommen. Hier wird ein „genetischer Paß“ großen Nutzen bringen, aber auch viel Unsinn stiften und schlimmen Mißbrauch ermöglichen. Daß ein Paar vor der Familiengründung in der genetischen Beratung ermitteln läßt, ob dem Nachwuchs eine ernsthafte Erbkrankheit drohen könnte, dagegen kann man kaum ethisch argumentieren. Das könnte für viele zum „Drum prüfe, wer sich ewig bindet“ gehören. Nicht akzeptabel wäre aber bereits die logische Folge, daß man durch künstliche Befruchtung aus Samen und Eizellen Embryonen erzeugt und nur den mit der „besten“ genetischen Ausstattung von der Frau austragen läßt. Das öffnet nämlich den Übergang von negativer Auslese gegen schwere Defekte zu privater Eugenik durch vermeintliche oder sichere Herstellung gewünschter Erbeigenschaften. Viele Menschen haben diese Überlegungen bislang rein akademisch gesehen. Aber das alles wird bald sehr konkret werden mit dem Wissen um unser Genom.