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Das Zentrum des Entzugs

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Das Zentrum des Entzugs
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Aufzuhören fällt vielen schwer (thinkstock)
Mäuse leiden unter Nikotinentzug genauso wie Menschen. Sie werden nervös und ängstlich, kratzen und schütteln sich. Forscher aus den Vereinigten Staaten haben nun eine kleine Gruppe von Nervenzellen im Hirn der Nager ausgemacht, die für die körperlichen Symptome des Entzuges verantwortlich sind. Fehlt das Suchtmittel, werden diese Neuronen geradezu hyperaktiv. Ihre Lokalisierung könnte dabei helfen, neue Medikamente gegen die physischen Qualen des Nikotinentzuges auch beim Menschen zu entwickeln.

Rund sechs Millionen Menschen sterben jährlich an den gesundheitlichen Folgen ihres Zigarettenkonsums. Zwar kennen die meisten Raucher das Risiko. Trotzdem fällt es verdammt schwer, den Glimmstängeln abzuschwören. Denn Nikotin ist eine Droge wie jede andere: Sie macht nicht nur psychisch abhängig, sondern verursacht bei Entzug auch körperliche Symptome. Wer als Kettenraucher von einem Tag auf den anderen die Finger von den Kippen lässt, muss sich auf innere Unruhe, Aggressivität und Schlafstörungen, auf Zittern, Schweißausbrüche, Kopfschmerzen oder Herzrasen einstellen.

Rubing Zhao-Shea und seine Kollegen von der University of Massachusetts Medical School sind im Mäuseversuch nun einer Gruppe von Nervenzellen auf die Spur gekommen, die zumindest für die körperlichen Symptome des Entzugs verantwortlich sind. Mäuse mit Schmacht kratzen sich häufig und schütteln sich wie nasse Hunde. Die Population von Neuronen, die dieses Verhalten auslöst, sitzt im sogenannten interpeduncularen Nukleus, wie die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Current Biology“ schreiben. Er ist insbesondere bei süchtigen Tieren dicht besetzt mit Nikotin-Rezeptoren, die über spezielle Untereinheiten verfügen. Die Hirnregion ist vermutlich Teil eines größeren Netzwerkes, das für die Auswirkungen der Nikotinsucht und des Entzugs verantwortlich ist.

Entzugserscheinungen auf Knopfdruck

Um herauszufinden, welche Mechanismen in dieser Hirnregion am Werke sind, mischten die Forscher den Versuchstieren regelmäßig Nikotin ins Trinkwasser – so lange, bis sie süchtig waren. Dann stoppten sie die Zufuhr plötzlich oder verabreichten ihnen eine Substanz, welche die Rezeptoren für Nikotin blockierte. Wie sich zeigte, waren beim resultierenden Entzug insbesondere Nervenzellen im interpeduncularen Nukleus aktiv, die GABA ausschütten, einen der wichtigsten Neurotransmitter unseres Nervensystems. Im nächsten Schritt veränderte das Team genau diese Zellen bei einigen Mäusen so, dass sie sich durch Lichtsignale gezielt aktivieren ließen. Schickten die Forscher blaue Lichtsignale ins Hirn der Tiere, zeigten diese Entzugserscheinungen – egal, ob sie nikotinsüchtig waren oder nicht. Interessanterweise beschränkten sich die Symptome des künstlichen Entzugs jedoch auf Kratzen und Schütteln. Anspannung oder Nervosität – die bei Mäusen und Menschen gleichermaßen auftreten – ließen sich nicht beobachten. Offensichtlich sind hierfür andere Hirnregionen zuständig.

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Zhao-Shea und seine Kollegen schlagen in ihrer Studie auch einen möglichen Mechanismus vor, der für die körperlichen Qualen des Entzuges  verantwortlich ist. Sie vermuten, dass die Nikotinzufuhr  Glutamat-Signale aus einer benachbarten Hirnregion hemmt. Bleibt das Suchtmittel aus, wird verstärkt Glutamat ausgeschüttet und sorgt für eine Überaktivierung von Nervenzellen im interpeduncularen Nukleus. Die Forscher hoffen, dass ihre Erkenntnisse zur Entwicklung neuer Medikamente führen, die die Aktivität der Neuronen dämpfen und so den Abschied von der Zigarette erleichtert.

Möglicherweise spielt die winzige Hirnregion mit dem sperrigen Namen auch bei anderen Süchten eine Rolle. „Rauchen ist weit verbreitet bei Menschen, die auch andere Suchtmittel konsumieren. Möglicherweise gibt es also Wechselwirkungen zwischen Nikotin und anderen Drogen“, sagt Andrew Tapper, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. „Außerdem wurden auch natürlich auftretende Mutationen in den Genen, die für die typischen Untereinheiten der Nikotinrezeptoren im interpeduncularen Nukleus kodieren, auch mit Drogen- und Alkoholsucht in Verbindung gebracht.“

Quelle:

© wissenschaft.de – Nora Schlüter
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