Bewußtsein ist nach dieser Vorstellung das Ergebnis der geistigen Reflexion in Bezug zu einem Gegenüber. Das Entstehen von Bewußtsein ist in diesem Sinne nicht mehr gleichsam wie das Auftauchen eines isolierten Gehirns aus dem Meer von Unbewußtem, es ist ein Phänomen, das nur durch die Wechselwirkung mit anderen Gehirnen entstehen kann. Damit aber wird Bewußtsein zu einem Teil des sozialen Miteinanders. Bewußtsein ist dann gar nicht mehr anders zu denken als im Zusammenhang mit anderen Menschen.
Und mehr noch: Weil die am Dialog mit dem werdenden Gehirn teilhabenden Bezugspersonen ihrerseits wieder stark von den Menschen und der Kultur geprägt sind, die ihnen selbst einmal zu Bewußtsein verholfen haben, erhält Bewußtsein zusätzlich eine historische Dimension. Bewußtsein, das „Sichgewahrsein seiner selbst“, wird in dieser Betrachtungsweise zu einem Produkt nicht nur der biologischen, sondern auch der kulturellen Evolution. Daraus folgt, daß unsere Art, uns zu erfahren, uns unseres Selbst bewußt zu sein, kulturspezifische Merkmale aufweisen muß. Unsere Ich-Erfahrung ist deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit verschieden von der unserer Großeltern und von der Ich-Erfahrung, wie sie Afrikaner oder Eskimos haben.