„Hol die rote Stoffente, Chaser.“ Leise und eindringlich spricht John Pilley auf seine Border-Collie-Hündin ein. Diese schaut ihn kurz an und läuft dann zielstrebig auf einen Berg von Stofftieren zu. Dort beginnt Chaser zu schnüffeln und hat nach wenigen Augenblicken das gewünschte Spielzeug gefunden. Schwanzwedelnd überbringt sie es ihrem Herrn, der sie dafür zärtlich tätschelt.
Was ist daran so besonders? Schließlich beherrschen viele andere Hunde ähnliche Tricks. Doch die sechsjährige Chaser ist ein Phänomen: Sie kennt die Namen von 1022 verschiedenen Stofftieren. Damit übertrifft sie ihren Artgenossen Rico bei Weitem. Der hatte 2004 für Aufsehen gesorgt, als Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig ihm gut 200 Begriffe beigebracht hatten (siehe Beitrag „Genie mit Schnauze“ in der bdw-Titelgeschichte 12/ 2010). Das wollten die amerikanischen Psychologen John W. Pilley und Alliston K. Reid vom Wofford College in Spartanburg toppen. Ihr Ziel war herauszufinden, ob es bei den als sehr intelligent geltenden Border Collies ein Limit im Erlernen von Begriffen gibt.
Die Wissenschaftler begannen mit Chaser ein intensives Trainingsprogramm. Über drei Jahre lang lernte der Vierbeiner die Namen von Spielsachen. Pilley und Reid zeigten Chaser die Gegenstände Stück für Stück und sagten ihr, wie sie heißen. Dann musste die Hündin das Spielzeug holen, wobei die Forscher dessen Namen wiederholten, um die Assoziation damit zu verfestigen. Vier bis fünf Stunden am Tag beschäftigten sich die Forscher mit dem Tier, das schließlich 1022 verschiedene Spielsachen am Namen auseinanderhalten konnte. Das ist ein Wortschatz, der in etwa dem eines dreijährigen Kindes entspricht.
Das Vokabular Chasers wurde regelmäßig getestet. Dazu stellten die Forscher in einem separaten Zimmer 20 zufällig ausgewählte Gegenstände zusammen. Dann sollte die Hündin diejenigen Spielsachen holen, die ihr genannt wurden. Insgesamt 838 solcher Tests absolvierte Chaser und erkannte nie weniger als 18 der 20 Spielzeuge.
Außerdem brachten die Wissenschaftler der cleveren Hündin bei, die benannten Objekte in verschiedene Kategorien einzuordnen und sie auf Zuruf mit der Schnauze oder Pfote zu berühren.
Redaktion: Hans Groth, nachrichten@bild-der-wissenschaft.de