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Echsen mit Taucherausrüstung

Tierische Technik

Echsen mit Taucherausrüstung

Eine Blase an der Nase ermöglicht ihnen das Atmen unter Wasser: Einige amerikanische Anolis-Echsen nutzen ein erstaunliches Konzept zum Tauchen, berichten Biologen. An ihrer wasserabweisenden Schuppenschicht im Schnauzenbereich „klebt“ eine Blase, die sich beim Ein- und Ausatmen hebt und senkt. Dabei findet ein Gasaustausch statt, der den Tieren Tauchgänge von bis zu 18 Minuten ermöglicht, geht aus den Untersuchungsergebnissen hervor.

Wie kann man sich unter Wasser ohne Kiemen eine gewisse Zeit lang mit Sauerstoff versorgen? Möglichst tief Luft holen und den Atem anhalten – das ist unserer Methode. Einige Tiere wie Meeressäuger oder Schildkröten machen es ähnlich – sie sind dabei nur viel effizienter als wir. Bei Gliedertieren findet sich allerdings ein weiteres Konzept: Manche aquatische Käfer, Spinnenarten und sogar eine skurrile Tauchfliege nehmen sich eine Luftblase mit unter die Wasseroberfläche. Sie atmen in diesen Vorrat ein und aus – ein Konzept, das als Rückatmung bezeichnet wird. Auch technische Taucherausrüstungen des Menschen basieren auf diesem Prinzip.

„Die Rückatmung wurde allerdings zuvor nicht als möglicher natürlicher Mechanismus für die Unterwasseratmung bei Wirbeltieren in Betracht gezogen“, sagt Luke Mahler von der University of Toronto. Doch im Rahmen ihrer Studie konnten er und seine Kollegen diese Technik nun bei bestimmten Vertretern der Anolis-Echsen eindeutig nachweisen. Es handelt sich dabei um semiaquatische Arten dieser kleinen Reptilien, die in Mittel- und Südamerika vorkommen. Es war bekannt, dass sie unter Wasser Nahrung sammeln und vor allem bei Gefahr buchstäblich abtauchen können. Die Grundlage der Studie bildeten Beobachtungen der Co-Autorin Lindsey Swierk von der Binghamton University: Sie konnte zeigten, dass der Anolis aquaticus aus Costa Rica unter Wasser eine Blase im Bereich der Schnauze bildet, was eine Funktion bei der Atmung nahelegte.

Was hat es mit diesen Blasen auf sich?

Diesem Phänomen haben die Forscher nun eine genauere Untersuchung gewidmet. „Wir konnten nachweisen, dass die semiaquatischen Anolis Luft in diese Blase ausatmen, die an ihrer Haut haftet. Anschließend ziehen die Echsen die Luft wieder ein – deshalb bezeichnen wir dieses Konzept in Anlehnung an die Tauchtechnik als ‚rebreathing'“, sagt Erstautor Chris Boccia von der University of Toronto. Um zu bestätigen, dass die Anolis die Luft in der Blase tatsächlich zur Atmung nutzen, führten die Wissenschaftler Analysen des Gases im Verlauf von Tauchgängen ihrer Versuchstiere durch. So stellten sie fest, dass der Sauerstoffgehalt in den Blasen mit der Zeit deutlich abnahm, was den Verbrauch durch die Tiere dokumentiert.

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Doch ist der Anolis aquaticus vielleicht eine skurrile Ausnahme? Im Rahmen ihrer Studie nahmen die Wissenschaftler nun auch andere Arten semiaquatischer Anolis ins Visier und konnten dadurch nachweisen: Alle nutzten die Technik der Rückatmung, obwohl einige Arten nur entfernt miteinander verwandt sind. „Unsere Arbeit zeigt, dass diese Strategie sich bei Anolis, die aquatische Lebensräume nutzen, wiederholt entwickelt hat.“ Eine Grundlage dafür bildeten dabei wohl die grundlegend wasserabweisenden Eigenschaften der Haut dieser Echsen: Sie ist hydrophob, damit etwa Regen leicht abperlen kann. Beim Abtauchen führt der Effekt hingegen zu Luftpolstern auf der Oberfläche. Daraus hat sich dann wohl das Konzept mit der Blase an der Nase entwickelt, erklären die Forscher.

Wie eine Art zweite Lunge?

Die Forscher vermuten, dass durch den Prozess des Aufpumpens und wieder Einziehens der Blase einige zusätzliche Vorteile für die Versorgung der tierischen Taucher entstehen. Zunächst ist durch die Luftbewegung vermutlich eine verbesserte Aufnahme in den Atemorganen der Tiere möglich. Die Blase könnte zudem dabei helfen, überschüssiges Kohlendioxid aus der ausgeatmeten Luft an das umliegende Wasser abzugeben. Umgekehrt könnte über die Blasenoberfläche auch Sauerstoff aus dem Wasser in den Luftvorrat diffundieren und damit seine Kapazitäten erhöhen, vermuten die Forscher. Somit hätte die Blase gleichsam eine Funktion wie eine zweite Lunge. Details der Abläufe wollen die Forscher nun aber erst durch weitere Untersuchungen klären.

„Diese Arbeiten bereichern unser Wissen über die erstaunlich kreativen Konzepte, mit denen Organismen die Herausforderungen in ihrer Umwelt meistern. Das ist an sich schon interessant, aber Entdeckungen wie diese könnten auch technische Lösungen inspirieren“, betont Boccia. „Einen konkreten Ansatz zur Umsetzung des Systems der Rückatmung der Anolis gibt es zwar noch nicht. Aber vielleicht lohnt es sich über Anwendungsmöglichkeiten etwa im Tauchsport nachzudenken“, meint der Wissenschaftler.

Quelle: University of Toronto, Fachartikel: Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2021.04.040

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