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Ein Duft liegt in der Klassenluft

Erde|Umwelt

Ein Duft liegt in der Klassenluft
Mehr als vierhundert deutsche Schüler atmen derzeit während des Unterrichts natürliche Düfte von Zitrone und Lavendel ein. Damit können sie besser lernen und sind weniger aggressiv, gaben sie in einer Befragung an. Der Lernduft macht Schule. Immer mehr Bildungsstätten interessieren sich dafür. Doch das Umweltbundesamt warnt vor den Gefahren.

Bevor Sie zu lesen beginnen, nur eine Frage: Wie riecht es? Nach Orangen oder Lavendel oder nach Kaffee? Dieser Artikel wird sich mit Duft in der Luft tiefer ins Gehirn einbrennen, behauptet der Münchner Aromatherapieforscher und Chemiker Dietrich Wabner. Er kann auf eigene Studien an Studenten und auf die Ergebnisse der Projektes „Dufte Schule“ verweisen. In Befragungen dieses Vorhabens gab fast jeder zweite von mehr als vierhundert Schülern an, motivierter zum Unterricht zu gehen, seit es im Klassenraum duftet.

Mehr als ein Drittel konnte sich besser konzentrieren. Ebenso viele fanden die Stimmung in der Klasse besser und beobachteten, dass die Aggressivität nachließ. Ein ähnlich großer Teil hatte gar den Eindruck, bessere Leistungen zu erbringen. Ein Abgleich der Schulnoten wurde allerdings nicht durchgeführt.

Diese Resultate bescherten dem Vorhaben ein breites Echo. Mittlerweile läuft es an 23 deutschen Schulen. Zu Beginn jeder Unterrichtsstunde strömen aus Säulen ätherische Öle auf Basis von Zitrone und Lavendel. Die genaue Rezeptur ist allerdings unbekannt, eine geheime Mixtur der Firma Taoasis in Lemgo, die das Projekt finanziert. Firmenchef Axel Meyer hofft, dass „die Schüler mit dem Duft besser und leichter lernen können“.

Er zeigt sich überwältigt von den bisherigen Befunden. „Wir haben einen Ansturm von Anfragen vieler Schulen bekommen, die am Projekt teilnehmen wollen“, erzählt er. Den Wunsch müsse er den meisten jedoch ausschlagen, weil die Duftsäulen einige tausend Euro kosten und sein Unternehmen nicht derart viel investieren könne.

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Davon abgesehen, betont Meyer immer wieder, müssten alle Schüler und Eltern einer Klasse sowie die Schulleitung sich schriftlich einverstanden erklären. Nur eine Gegenstimme, und das Experiment wird auf Eis gelegt. Man könnte argwöhnen, dass es sich um eine geschickt eingefädelte Firmenkampagne handelt. Schließlich verdient Taoasis am Boom des Lernduftes, den es in Apotheken zu kaufen gibt.

Doch Meyer bekommt Rückendeckung von Dietrich Wabner von der Technischen Universität München, der seit Jahren die Wirkung ätherischer Öle erforscht, solche aber auch kommerziell vertreibt und das Projekt wissenschaftlich begleitet. „Die Wirkung von natürlichen Düften, insbesondere die emotionalen Wirkungen, sind gut untersucht“, bekräftigt er. Eine japanische Studie sowie Analysen der Universität Erlangen hätten gezeigt, dass beispielsweise Kamille, Orange und Lavendel beruhigen. Sie regten im Gehirn die Bildung von Serotonin an, ein Botenstoff, der Stress entgegenwirkt. Das erklärt, warum die Kinder im Projekt „dufte Schule“ weniger aggressiv“ sind, so Wabner. Zitrone macht dagegen wach und aufmerksam. Ein Test an tausend japanischen Sekretärinnen ergab, dass sie weniger als halb so viele Tippfehler machten, wenn ihnen der Zitrusduft in die Nase stieg.

Wabner selbst stellte seine Chemiestudenten auf die Probe. Er teilte sie in zwei Gruppen, präsentierte beiden unsinnige Kunstwörter, aber nur die eine Hälfte atmete dabei Grapefruitduft ein. In einer anschließenden Prüfung unter Grapefruitatmosphäre schnitten die Studenten, die unter Duft gelernt hatten, deutlich besser ab. Sie erinnerten sich an 72 Prozent der Worte, ohne Odeur waren es nur 32 Prozent.

Es ist nicht die einzige Studie, die darlegt, dass Gerüche Erinnerungen zementieren. Probanden konnten sich an Ereignisse viel besser erinnern, wenn sie Rosenduft eingeatmet hatten und dieser Duft sie im Tiefschlaf erneut umgab, entdeckte der Neurobiologe Jan Born von der Universität Lübeck. Das Blumenbouquet wirkte als Lernhilfe.

Der Effekt kann rein neurobiologisch erklärt werden. Die Geruchsreize werden über die Nase direkt ins Gefühlszentrum des Gehirns geleitet. Die Duftwahrnehmung ist damit eine Art Autobahn in die Denkzentrale. Im Schlepptau können offenbar auch Lerninhalte hoch effektiv gespeichert werden. Dabei ist es allerdings gleichgültig, welche Art von Geruch als Vehikel verwendet wird. „Das würde auch mit Gestank funktionieren. Aber das wäre natürlich gemein, wenn man Schüler damit traktieren würde“, sagt Wabner. Sein Fazit: „Die Wirkung von Düften ist keine esoterische Spinnerei.“

Doch nicht nur die positiven Effekte der Wohlgerüche lassen sich wissenschaftlich untermauern. Die Innenraumluftexperten des Umweltbundesamtes in Dessau warnen vor ihren Gefahren und pochen auf stapelweise Literatur. Einige Duftstoffe, auch Komponenten aus natürlichen ätherischen Ölen, können Allergien begünstigen, sagen sie. Darunter finden sich Bestandteile aus Teebaumöl und Zitrusdüften. Aus Gründen der Vorsorge rät die Behörde deshalb von Geruchsstoffen in geschlossenen Räumen ab, um die Gesundheit empfindlicher Menschen nicht zu beeinträchtigen.

„Diese Untersuchungen wurden immer mit isolierten Inhaltsstoffen gemacht, nie mit der natürlichen Mischung“, kontert Wabner. Er ist überzeugt, dass selbst Bestandteile, die für sich genommen unverträglich sind, sich in der Mixtur als unschädlich erweisen. Im Projekt „dufte Schule“ sei bis heute kein einziger Fall einer Allergie aufgetreten.

ddp/wissenschaft.de – Susanne Donner
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