Die Giftkocktails von Spinne und Co sind beliebte Forschungsobjekte der Wissenschaft: Die raffinierten Substanzen haben oft biochemische Eigenschaften, die sie für die Entwicklung von Medikamenten interessant machen. Auf diesem Gebiet forschen auch Glenn King von der University of Queensland in St. Lucia und seine Kollegen. Grundlage ihrer aktuellen Entdeckung waren Vergleiche der Strukturen von Gift-Proteinen mit anderen biologischen Molekülen.
Insulin-artige Hormone wurden rekrutiert
Wenn man die Erbanlagen für die Produktion der Gifte mit denen von Insulin-artigen Hormonen vergleicht, ist die Ähnlichkeit noch nicht auffällig, berichten die Forscher. Nur beim Vergleich der Konfiguration der Bausteine der Giftmoleküle wurde der Zusammenhang klar: „Die Gensequenz hat uns nicht verraten, woraus sich die Gifte einst entwickelt hatten, doch die Strukturvergleiche der Proteine haben es klar gezeigt“, so King.
Es handelt sich um einen Fall von sogenannter konvergenter Evolution, sagen die Forscher. Unabhängig voneinander hat die Evolution bei den Trichternetzspinnen und Hundertfüßern einen ähnlichen Weg eingeschlagen: Die Vorfahren beider Entwicklungslinien rekrutierten vor Jahrmillionen Insulin-artige Stoffwechselhormone zum schrittweisen Design ihrer Gifte. Wie genau dies anfing, bleibt Spekulation. Vermutlich stand ein zufälliger Effekt am Anfang, der den Räubern nutzte. „Wenn ein Hormon dem Opfer schadet, eignet es sich als Gift und man steigert einfach die Produktion“, sagt King. „Das bildete dann wohl den Anfangspunkt der Weiterentwicklung zu einem immer wirkungsvolleren Gift“, so der Biochemiker.
Bio-Toxine als Grundlage für Medikamente
Die Evolutionsgeschichte und Struktur von Toxinen genau zu kennen, ist für die Entwicklung neuer Arzneimittel und biologischer Schädlingsbekämpfungsmittel sehr wichtig, betonen die Forscher. Das Wissen ermöglicht, gezielt Funktionen zu entfernen oder hinzufügen, um maßgeschneiderte Wirkstoffe zu entwickeln. Auf diese Weise sind aus tierischen Giften bereits blutdrucksenkende Medikamente, Schmerzmittel oder Bio-Insektizide entstanden.
Den Ergebnissen von King und seinen Kollegen zufolge hat das Gift der Hundertfüßer im Laufe seiner Evolution vom Hormon zum Toxin subtilere Veränderungen durchgemacht als das der Spinnen. Es ist dadurch stabiler und eignet sich deshalb besser als Grundlage für die biochemische Nutzung durch den Menschen, sagen die Forscher. Sie arbeiten nun gezielt daran, die Gifteigenschaften beherrschbar zu machen und suchen nach konkreten Anwendungsmöglichkeiten für die faszinierenden Stoffe.