Ein italienisch-deutsches Forscherteam hat entdeckt, wie die Zunge die bitterste Substanz der Welt wahrnimmt: Der Stoff namens Amarogentin, der aus Enzian gewonnen wird, dockt gleich an vier spezielle Antennenmoleküle an, die seine Anwesenheit dann ans Gehirn melden. Dieses System ermöglicht es, Amarogentin noch in einer Verdünnung von eins zu 58 Millionen zu schmecken ? eine Konzentration, die entsteht, wenn man ein Schnapsglas des Bitterstoffs mit der Wassermenge von 5.800 Badewannen verdünnt.
Bitteres schmecken zu können, war in der Frühzeit des Menschen eine wichtige Überlebensstrategie ? schließlich sind die meisten giftigen oder ungenießbaren Substanzen bitter. Zunge, Gaumen, Rachen und Kehlkopf sind daher mit molekularen Sensoren, den sogenannten Bitterrezeptoren ausgestattet, die wie Antennen auf der Spitze von Geschmackszellen sitzen und an die bittere Stoffe andocken können. Sobald eine solche Bindung entsteht, meldet die Sinneszelle den Kontakt ans Gehirn, und ein bitterer Geschmackseindruck entsteht. Der Mensch besitzt 25 Gene mit Bauplänen für solche Rezeptoren, wissen Forscher bereits seit einigen Jahren.
Trotzdem sind die genauen molekularen Vorgänge beim Bitterschmecken immer noch nicht genau bekannt. So konnten beispielsweise noch nicht für jeden Bitterstoff der oder die passenden Rezeptoren gefunden werden. Umgekehrt gibt es immer noch etwa 10 Antennenvarianten, die Forscher als „verwaist“ bezeichnen ? von ihnen ist nicht bekannt, auf welche Bitterstoffe sie reagieren. Das Team um Maik Behrens und Wolfgang Meyerhof vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung konnte nun zumindest einem der verwaisten Rezeptoren einen passenden Bitterstoff zuordnen: Ebenso wie drei andere Bittersensoren wird der Rezeptor namens TAS2R50 von Amarogentin und sogar noch einem zweiten Bitterstoff, das aus dem Akanthusgewächs Kalmegh stammende Andrographolid, aktiviert.
Die Forscher erhoffen sich von ihrer Entdeckung neue Erkenntnisse dazu, wie der Geschmackssinn genau funktioniert. Damit könnte besser verstanden werden, wie bestimmte Nahrungsvorlieben entstehen. Außerdem sollen die Ergebnisse in Zukunft helfen, Bitterblocker zu entwickeln, die beispielsweise den bitteren Geschmack von bestimmten Arzneistoffen kaschieren und damit die Einnahme der Medikamente angenehmer machen.
Mitteilung des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung, Potsdam-Rehbrücke. ddp/wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel