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Erlebtes verschwindet – die Gefühle nicht

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Erlebtes verschwindet – die Gefühle nicht
Menschen mit Gedächtnisverlust empfinden immer noch Gefühle, auch wenn sie die Ursache dafür bereits vergessen haben. Das haben US-Forscher in eine Studie an Patienten herausgefunden, die aufgrund einer Verletzung des Großhirnareals Hippocampus an schwerem Gedächtnisverlust leiden. Die Probanden konnten sich kurz nach dem Anschauen eines Films zwar nicht mehr an entscheidende Details erinnern, dennoch verspürten sie noch längere Zeit nach Filmende Gefühle der Freude oder Traurigkeit ? je nachdem, ob ihnen ein fröhlicher oder deprimierender Film gezeigt worden war. Entgegen verbreiteter Vermutungen bedeutet also eine gelöschte Erinnerung nicht, dass auch die damit verknüpften Gefühle verschwunden sind. Zudem zeigen die Resultate, dass ein liebe- und respektvoller Umgang mit betroffenen Menschen wie etwa Alzheimer-Patienten wichtig ist.

Was passiert mit Emotionen, wenn die Erinnerung an das Ereignis verschwunden ist, das die Gefühle verursacht hat? Die gängige Annahme ist, dass Erinnerung und Gemütsregungen untrennbar miteinander verbunden sind. So haben beispielsweise Menschen mit Depressionen oder posttraumatischem Stress die Angewohnheit, über die Gründe für ihre schlechten Gefühle nachzugrübeln und geraten dadurch noch stärker in ein seelisches Tief. Dies deutet darauf hin, dass diese Traurigkeitsgefühle stark abhängig von der Erinnerung an die belastenden Ereignisse sind. Die Untersuchungen der US-Wissenschaftler widersprechen jedoch nun diesem Zusammenhang: Sie zeigten vielmehr, dass durch bestimmte Ereignisse ausgelöste Gefühle weiterexistieren, obwohl die dafür verantwortlichen Erfahrungen schon längst vergessen sind.

Die Forscher führten ihre Studie mit Probanden durch, deren Hippocampus verletzt ist. Da diese Gehirnregion verantwortlich ist für das Abspeichern von neuen Erfahrungen, leiden sie unter schwerem Gedächtnisverlust und vergessen neue Erlebnisse gleich wieder. Die Forscher zeigten ihnen jeweils einen kurzen Film, einer davon mit lustigen Inhalten, der andere mit trauriger Grundstimmung. Fünf bis zehn Minuten nach Filmende wurden die Versuchspersonen über Details befragt. Wie erwartet, erinnerten sich die Probanden kaum mehr an den Film: Vier von fünf konnten sich maximal fünf Details vergegenwärtigen. Personen aus einer Kontrollgruppe mit unbeschädigtem Gehirn erinnerten sich im Schnitt an 30 Details.

Bei einer Befragung nach dem Gedächtnistest zeigte sich aber, dass die Emotionen immer noch vorhanden waren, die die Probanden während des Films erlebt hatten. Bei zwei Patienten blieben die Gefühle sogar deutlich länger bestehen, als bei den Gesunden, die den Film noch präsent hatten. „Ein Besuch oder Anruf kann also bei Menschen, die an Alzheimer erkrankt sind, anhaltende Freude auslösen ? auch wenn sie den Besuch oder das Telefonat bereits wieder vergessen haben“, erklärt Feinstein. Obwohl die Vergesslichkeit dies nahelege, seien also freundliche Bemühungen durch Angehörige und Betreuer von Alzheimer-Patienten nicht vergeblich.

Justin Feinstein (University of Iowa, Iowa City) et al.: PNAS, doi/10.1073/pnas.0914054107 ddp/wissenschaft.de ? Thomas Neuenschwander
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