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Erstaunlich zweischneidige Veranlagung

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Erstaunlich zweischneidige Veranlagung
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Schätzungen zufolge sind weltweit 110 Millionen Menschen von einer Koronare Herzkrankheit betroffen. (Illustration: Filip_Krstic/iStock)
Eine genetische Schwäche macht die Koronare Herzkrankheit zu einer der Haupttodesursachen beim Menschen weltweit. Da kann man sich fragen: Wie konnte sich diese scheinbar fatale Veranlagung im Laufe der Evolution des Menschen nur herausbilden? Einer Studie zufolge übertrumpfte offenbar ein „fruchtbarer“ Positiveffekt der verantwortlichen Erbanlagen ihre herzbelastenden Negativseiten: Viele Kinder waren der Preis für das Risiko eines Herzversagens im fortgeschrittenen Alter.

Die Ursache für die Koronare Herzkrankheit ist letztlich die sogenannte Arterienverkalkung: Ablagerungen beeinträchtigen zunehmend die Funktion der Herzkranzgefäße, die den Herzmuskel versorgen. Dadurch wird die Blutpumpe des Körpers immer schwächer, bis sie unter Umständen ganz ihren Dienst versagt. Schätzungen zufolge sind weltweit 110 Millionen Menschen von diesem Problem betroffen – es kommt jährlich zu etwa neun Millionen Todesfällen. Klar scheint: Es handelt sich bei der Koronaren Herzkrankheit beziehungsweise Arterienverkalkung (Arteriosklerose) nicht etwa nur um eine moderne Erscheinung. Beispielsweise belegen Befunde an ägyptischen Mumien, dass die Neigung zu dieser Gesundheitsproblematik eine grundlegende Schwachstelle des Menschen ist.

Kein Widerspruch zur Evolutionstheorie

Doch wieso eigentlich? Die Veranlagung scheint der natürlichen Selektion im Rahmen der Evolutionstheorie zu widersprechen: Normalerweise sollten nur Genvarianten in einer Population zunehmen oder sich etablieren, die sich günstig auswirken – Erbanlagen die krank machen, müssten hingegen im Lauf der Generationen aussortiert werden. „Deshalb war unklar, warum die Koronare Herzkrankheit beim modernen Menschen so häufig auftritt und ein globales Gesundheitsproblem darstellt“, erklärt Sean Byars von der University of Melbourne. Deshalb sind er und seine Kollegen nun den genetischen Grundlagen der problematischen Neigung einmal gezielt nachgegangen. Das Team analysierte dazu bei Menschen aus allen Teilen der Welt die Merkmale von 56 genetischen Regionen, von denen bereits bekannt ist, dass sie mit der Entstehung der Koronaren Herzkrankheit verknüpft sind.

Wie die Forscher berichten, wurde anhand von bestimmten Merkmalen dieser Erbanlagen zunächst einmal deutlich: Sie wurden im Laufe der Evolution des Menschen tatsächlich positiv selektioniert. Mit anderen Worten: Diese Herzkrankheits-Gene etablierten sich bei unseren Ahnen, weil sie offenbar etwas Positives bewirkten. Was dieser Positiveffekt sein könnte, zeichnete sich anschließend ebenfalls ab: „Nach weiteren Untersuchungen entdeckten wir, dass Koronare Herzkrankheits-Gene auch für die Reproduktion wichtig sind und dass diese Erbanlagen an wichtigen Funktionen der männlichen und weiblichen Fruchtbarkeit beteiligt sind. Beispielsweise sind sie in den Hoden und Eierstöcken aktiv“, sagt Co-Autor Michael Inouye von der University of Melbourne.

Evolutionärer Kompromiss

Sein Kollege Byars erklärt dazu: „Es scheint sich bei der Veranlagung demnach um einen evolutionären Kompromiss gehandelt zu haben, bei dem der positive Effekt auf die Reproduktion überwog, weil das Problem mit der Koronaren Herzkrankheit meist erst mit etwa 40 bis 50 Jahren beginnt“, so der Wissenschaftler. Byars betont: „Das heißt nun nicht, dass Menschen mit vielen Kindern eher zu Herzkrankheiten neigen. Es bedeutet wohl nur, dass die Neigung zu dieser Schwäche generell ein Nebenprodukt bei der Evolution der Fruchtbarkeit des Menschen war.“

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Den Forschern zufolge verdeutlichen die Ergebnisse letztlich auch, wie komplex und verdeckt die Auswirkungen von Genen sein können. Deshalb müsse man bei den neuen Gen-Editing-Techniken wie CRISPR sehr vorsichtig sein, betonen Byars und seine Kollegen. Es besteht das Risiko, durch die Veränderung bestimmter genetischer Merkmale unbeabsichtigte Nebeneffekte auszulösen, die möglicherweise erst verzögert klar werden. „Wir sollten weiterhin eher mehr über genetische Zusammenhänge lernen, als zu versuchen, Genome umzuschreiben“, meint Byars.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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