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Falter-Flügelspitzen als akustische Köder

Fledermaus-Abwehr

Falter-Flügelspitzen als akustische Köder
Auch der berühmte Atlasfalter mit seiner Spannweite von bis zu 30 Zentimetern besitzt akustische Fledermausköder an seinen hervortretenden Flügelspitzen. Links macht eine akustisch-tomographische Aufnahme die höchste Echostärke in Rot auf dem Flügel sichtbar. (Bild: T. Neil and M Holderied)

Manche Nachtfalterarten tricksen das Echoortungssystem jagender Fledermäuse raffiniert aus, haben Forscher aufgedeckt: Die akustischen Strukturen ihrer Flügelspitzen reflektieren optimal die Rufe der Räuber, sodass sie nach diesen widerspenstigen Strukturen schnappen und den Insektenkörper verfehlen. Es handelt sich damit um ein weiteres Beispiel der erstaunlichen Akustik-Konzepte im Wettrüsten zwischen den Jägern und Gejagten der Nacht.

Um den hungrigen Blicken von Räubern zu entgehen, hat eine Gruppe der Schmetterlinge im Lauf der Evolution ihre Aktivität in den Schutz der Dunkelheit verlagert. Doch dort blieben die Nachtfalter nicht sicher – ihnen folgten raffinierte Jäger mit einer hochentwickelten Technologie: Statt auf ihre Augen verlassen sich Fledermäuse bei der Jagd in der Dunkelheit auf ihr Biosonar. Sie stoßen dazu hochfrequente Schreie aus, die vom Körper der Insekten reflektiert werden. Durch die feinen Echos können sie ihre Beutetiere präzise orten und geschickt aus der Luft schnappen. Doch die Nachtfalter blieben keine hilflosen Opfer. Wie bei anderen Räuber-Beute-Verhältnissen im Tierreich hat sich im Laufe der Evolution ein Wettrüsten entwickelt: Forscher haben bei unterschiedlichen Nachtfalterarten bereits verschiedene Strategien gegen Fledermaus-Angriffe nachgewiesen. Einige reagieren etwa auf die Laute der Fledermäuse durch clevere Ausweichmanöver.

Flügelstrukturen im Visier

Doch es sind auch bereits akustische Schutzstrategien bekannt: Die Flügelschuppen einiger Nachtfalterarten absorbieren auf raffinierte Weise Ultraschalllaute, sodass sie die Insekten in eine Art akustischen Tarnmantel hüllen. Andere sorgen hingegen gezielt für strategische Auffälligkeit: Manche Vertreter aus der artenreichen Gruppe der Seidenspinner besitzen schleppenartige Fortsätze unten an den Flügeln. Diese oft gewundenen Gebilde erzeugen besonders starke Echos. Dadurch schnappen Fledermäuse eher nach diesen Anhängseln und nicht nach dem Körper, sodass ein Überlebensvorteil für die Falter entsteht.

„Es gibt allerdings viele Seidenspinner, die diese Schleppköder nicht besitzen“, sagt Thomas Neil von der University of Bristol. Aber offenbar verzichten auch diese Nachtfalter nicht auf akustischen Schutz, wie er und seine Kollegen nun verdeutlichen. „Bei unseren Untersuchungen entdeckten wir zunächst, dass viele Seidenspinnerarten ohne Schleppen geriffelte oder gefaltete Strukturen an den Spitzen ihrer Vorderflügel aufweisen. So gingen wir der Frage nach, ob auch diese Strukturen als akustischer Köder dienen könnten, um Angriffe von Fledermäusen zu vereiteln“, sagt Neil. Die Forscher setzten dazu ein innovatives akustisches Tomographie-Analyseverfahren ein. So konnten sie die Echos verschiedener Nachtfalterarten aus tausenden von Winkeln aufzeichnen und die akustischen Merkmale analysieren.

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Akustische Raffinesse aufgedeckt

So zeigte sich: Bei Beschallung mit Fledermaus-Frequenzen erzeugten die strukturierten Flügelspitzen deutlich stärkere Echos als die Körper der Nachtfalter. Dieser Effekt war sogar intensiver als bei den akustischen Schleppködern der anderen Arten, berichten die Forscher. Sie entdeckten dabei auch, dass die feinen Strukturen den Schall gezielt zu seinem Ursprungsort zurückwerfen. Die Falten und Wellen erzeugen während des gesamten Flügelschlagzyklus des Nachtfalters und aus den meisten möglichen Angriffsrichtungen von Fledermäusen die stärksten Echos an den Flügelspitzen des Insekts.

„Wir haben damit gezeigt, dass die Strukturen als eine akustische Täuschung wirken können, was bedeutet, dass eine Fledermaus eher auf die Flügelspitze als auf den empfindlicheren Körper des Falters zielt“, sagt Seniorautor Marc Holderied. Wie die Forscher erklären, liegt nahe, dass die Flügelspitzen keine guten Angriffspunkte für die Jäger darstellen, da sie sich nur schwer schnappen lassen und durch ihre Elastizität zu einem Abprallen führen, das dem Falter das Leben retten kann. „Die Idee, dass es sich bei dem Vorderflügelreflektor um einen akustischen Köder handelt, wird außerdem durch unsere Erkenntnis gestützt, dass sich diese Strukturen immer nur als Alternative zu den akustischen Hinterflügelködern entwickelt haben: Es gibt keine Nachtfalterart, die beide Systeme hervorgebracht hat“, sagt Neil.

„Die Ergebnisse unserer Studie zeigen einen weiteren spannenden Aspekt in der Geschichte des akustischen Wettrüstens zwischen Fledermäusen und Nachtfaltern auf“, hebt Holderied abschließend hervor. Die Wissenschaftler wollen nun auch experimentell testen, wie effektiv das Verfahren tatsächlich ist: Sie planen, Fledermäuse und Falter mit unterschiedlichen Flügelmerkmalen zu beobachten, um festzustellen, wie groß der Überlebensvorteil ist, den das akustische Konzept bietet.

Quelle: University of Bristol, Fachartikel: Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2021.08.038

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