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Finanzexperten und Schnäppchenjäger im Fellkleid

Erde|Umwelt

Finanzexperten und Schnäppchenjäger im Fellkleid
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Unerwartet geschäftstüchtig: Kapuzineraffen verstehen viel vom Umgang mit Geld. Foto: David M. Jensen / Wikipedia
Affen können unerwartet gut mit Geld umgehen: Sie nutzen Rabatte, verstehen das Konzept der unterschiedlichen Kaufkraft und sparen manchmal sogar. Doch auch bei ihnen verdirbt zuviel Geld den Charakter – es kann sie zu Betrügern und Dieben machen. In allen Fällen ist den Tieren wie den Menschen Gerechtigkeit wichtig, und ebenfalls wie die Menschen haben auch die Affen Angst vor Verlusten.

Die Rabattaktion war ein voller Erfolg: Die für den halben Preis angebotenen Geleewürfelchen gingen weg wie warme Semmeln, und selbst Großeinkäufe waren keine Seltenheit. Nicht reduzierte Ware hatte dagegen einen eher schweren Stand, selbst die sonst sehr beliebten Äpfel. Eine alltägliche Situation? Im Prinzip schon – nur, dass es sich bei den Schnäppchenjägern nicht um Supermarktbesucher handelte, sondern um Kapuzineräffchen.

Die haarigen Gesellen und ihre Verwandten können nämlich fast genauso gut mit Geld umgehen wie Menschen, berichtet das Magazin „bild der wissenschaft“ in seiner April-Ausgabe. Dabei gehören sie sonst nicht gerade zu den Tieren, die durch überragende Intelligenz von sich reden machen: Sie erkennen sich nicht im Spiegel, gucken sich nur höchst selten Fähigkeiten von Artgenossen ab und rücken erst Recht nicht freiwillig Dinge wieder heraus, die sie einmal für sich erobert haben. Trotzdem können aus den kleinen Affen innerhalb weniger Monate wahre Finanzjongleure werden, wie bereits mehrere Forscherteams nachweisen konnten.

Da ist zum Beispiel die Sache mit der Kaufkraft. Als die beiden US-Forscher Sarah Brosnan und Frans de Waal bei ihren Kapuzineraffen unterschiedlich große Granitstückchen als Zahlungsmittel einführten, verstanden die Tiere recht schnell, dass ihre „Münzen“ nicht alle gleich wertvoll waren – und dass man nur mit den größeren die wirklich leckeren Gemüsesnacks erstehen konnte. Auch Sparen ist keine rein menschliche Erfindung, zeigen etwa die Schimpansen der portugiesischen Anthropologin Claudia Sousa: Sie zweigten einen Teil der Münzen, die sie als Belohnung bekamen, gleich ab und legten sie auf die hohe Kante.

Manchmal bringt Geld jedoch auch bei unseren pelzigen Vettern unangenehme Charaktereigenschaften ans Tageslicht. So erfand einer der Kapuzineraffen spontan das Konzept des Betrugs: Er bekam eine Gurkenscheibe in die Finger, die oberflächlich betrachtet den sonst verwendeten Münzen ähnelte, und versuchte sofort, sie dem Forscher unauffällig unterzuschieben. Auch Diebstahl konnten die Wissenschaftler bereits beobachten – und sogar einen Fall von käuflicher Liebe, in dem Weibchen einem Männchen für Geld Sex gestattete. Den Verdienst setzte die Dame anschließend direkt in Naturalien um: Sie kaufte sich ein paar leckere Trauben.

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Genau wie beim Menschen diktiert auch bei den Affen in den meisten Fällen das Streben nach dem größtmöglichen Gewinn das Verhalten. Das ändert sich jedoch, wenn sich die Tiere übers Ohr gehauen fühlen: Beobachten sie beispielsweise, dass ihr Käfignachbar für den gleichen Geldbetrag eine Weintraube bekommt, für den sie selbst nur eine ungeliebte Gurkenscheibe erhalten haben, verschmähen sie vor Wut ihren Kauf – und machen die Ungerechtigkeit damit noch schlimmer. Das gibt es auch beim Menschen, wissen Verhaltensökonomen aus einer ganzen Reihe von Studien. Im Notfall verzichten menschliche Probanden sogar auf Gewinne, um unfaire Geschäfte zu bestrafen. So zeigt man, dass man sich nicht so leicht betrügen lässt und erzieht den anderen gleichzeitig dazu, die Regeln gefälligst einzuhalten.

Und noch eine Eigenheit in Finanzdingen teilen Mensch und Affe, berichtet „bild der wissenschaft“: Bei beiden ist die Angst vor einem Verlust größer als die Freude über einen Gewinn. Gut illustriert wird dieses Prinzip durch ein Spiel, das Keith Chen und Laurie Santos von der Yale-Universität mit einigen Kapuzineräffchen machten. Dabei mussten die Affen für ein Obststück eine Münze auf den Tisch legen, bekamen aber bei jedem zweiten Einkauf gratis ein zweites Stück obendrauf. Dann drehten die Forscher das Spiel um: Die pelzigen Probanden bekamen für eine Münze offiziell zwei Obststücke, wurden aber in jedem zweiten Tauschhandel um eines davon betrogen.

Obwohl die Chancen objektiv betrachtet völlig gleich waren – in beiden Fällen bekamen die Affen abwechselnd ein oder zwei Obststücke –, mochten die Tiere das zweite Spiel überhaupt nicht: Durften sie zwischen den beiden Varianten wählen, entschieden sie sich in 75 Prozent der Fälle für das erste Spiel. Auch Menschen haben eine starke Abneigung gegenüber Situationen, in denen ihnen Verluste drohen, und ziehen Bonussysteme selbst dann vor, wenn sie im Endeffekt weniger einbringen als die Alternative. Zusätzlich steigt ein Objekt in dem Moment auf der persönlichen Skala im Wert, in dem man es in Besitz nimmt – ein Phänomen, das auch „Endowment-Effekt“ genannt wird.

Aus diesem Grund verkaufen Hausbesitzer ihre Häuser sogar dann nur sehr zögerlich unter dem selbst gezahlten Preis, wenn sie monatlich immense Summen hineinstecken müssen. Peter Hammerstein, Wirtschaftswissenschaftler von der Berliner Humboldt-Universität, erklärt es so: „Dieser Instinkt hat zur Folge, dass der Erstinhaber bereit ist, viel mehr in den Erhalt seines Besitzes zu investieren, als Eindringlinge aufbieten wollen, um dem Eigentümer das Gut abzuluchsen“ – und das gilt für Menschen wie für Affen.

Rolf Degen: „Haarige Vetternwirtschaft“, in bild der wissenschaft 4/2007, Seite 92 ddp/wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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