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Freiwilliger Maskerade-Verzicht

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Freiwilliger Maskerade-Verzicht
Das Tuberkulose-Bakterium liefert sich dem Immunsystem bereitwillig aus ? und benutzt dieses dann, um sich weiter zu verbreiten. Zu diesem Schluss ist ein US-Forscherteam gekommen, nachdem es die Erbinformationen von einundzwanzig verschiedenen Erregerstämmen des Krankheitserregers analysiert hatte. Demnach befällt das Bakterium die Lunge und nutzt den von der Immunantwort ausgelösten Hustenreiz, um via Tröpfchen-Infektion auf möglichst viele Menschen übertragen zu werden. Diese Erkenntnisse könnten zu neuen Ansätzen im Kampf gegen die oftmals tödlich verlaufende Infektionserkrankungen führen, berichten die Wissenschaftler um Joel Ernst von der New York University School of Medicine.

Das Immunsystem schützt den Körper vor eindringenden Krankheitserregern. Die Eindringlinge besitzen sogenannte Antigene auf ihren Oberflächen ? das sind Moleküle, die vom Immunsystem als körperfremd erkannt werden. Eine weit verbreitete Strategie von Viren, Bakterien und Parasiten ist es, ständig ihre Antigene zu verändern und so der Immunantwort zu entkommen. Daraufhin muss sich das Immunsystem jedesmal den neuen Begebenheiten anpassen. Die Folge ist ein ständiges Wettrüsten um die Vorherrschaft im Körper. Der Tuberkulose-Erreger Mycobacterium tuberculosis verändert sein Antigenmuster jedoch nicht, wie Joel Ernst und seine Kollegen bei der Untersuchung von einundzwanzig Stämmen entdeckt haben, die repräsentativ für die globale Verbreitung des Erregers sind: Das Bakterium profitiert vielmehr davon, vom Immunsystem erkannt zu werden.

Bei der Tuberkulose handelt es sich um eine weltweit verbreitete Infektionskrankheit, die sich meistens in der Lunge festsetzt. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation ist etwa ein Drittel der Weltbevölkerung mit dem Bakterium infiziert, jede Sekunde kommt eine Neuinfektion dazu. Etwa zehn Prozent der infizierten Menschen erkranken tatsächlich an einer offenen Tuberkulose, in allen anderen Fällen wird die Krankheit vom Immunsystem erfolgreich unterdrückt. Tuberkulose wird meist über die Luft als sogenannte Tröpfchen-Infektion übertragen und wird von Mensch zu Mensch durch Husten, Niesen oder sogar Sprechen weitergegeben. Bis zu zwei Tagen können die Erreger in einem schlecht gelüfteten Raum überleben. Das Einatmen einer kleinen Anzahl Keime reicht aus, um sich anzustecken. An dieser Stelle kommt die Theorie von Ernst ins Spiel: Die von den Bakterien ausgelöste Immunantwort erzeugt den Husten- oder Niesreiz. Als Folge werden die Erreger ausgespien und können sich weiter verbreiten ? aus diesem Grund liefern sie sich dem Immunsystem bereitwillig aus.

In den letzten Jahren erkrankten mehr Menschen an Tuberkulose als jemals zuvor. Das vermehrte Aufkommen von Resistenzen gegen die gängigen Medikamente ist einer der Gründe für die zunehmende Ausbreitung der Krankheit. In den ärmeren Ländern besteht aufgrund der schlechteren Hygieneverhältnisse und der höheren Bevölkerungsdichte eine höhere Ansteckungsgefahr als in den Industrieländern. Die neuen Erkenntnisse könnten entscheidend dazu beitragen, neue Impfstoffe und Therapien für eine der schwersten Bakterienerkrankungen überhaupt zu entwickeln, hoffen die Forscher.

Joel Ernst (New York University School of Medicine) et al.: Nature, doi:10.1038/ng.590 ddp/wissenschaft.de ? Gwydion Brennan
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