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„Frisch wie vor tausend Jahren“

Interview mit dem Mann aus dem Eis

„Frisch wie vor tausend Jahren“
Gletschermann Ötzi über seinen Zustand, die letzte Mahlzeit vor seiner Ermordung und seinen Mumienkollegen. Servus, Ötzi, was macht die Luftfeuchtigkeit? 98 Prozent, alles im grünen Bereich. Und sonst? Der Rummel könnte allmählich mal aufhören. Sie meinen die vielen Untersuchungen? Oder die 250000 Besucher pro Jahr, die Sie im Bozener Archäologiemuseum durch Panzerglas anstarren? Beides. Neulich haben Sie schon wieder Schlagzeilen gemacht: Seit Züricher Forscher per Computertomographie Ihre verletzte Unterschlüsselbeinaorta entdeckt haben, ist man absolut sicher,

Servus, Ötzi, was macht die Luftfeuchtigkeit?

98 Prozent, alles im grünen Bereich.

Und sonst?

Der Rummel könnte allmählich mal aufhören.

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Sie meinen die vielen Untersuchungen? Oder die 250000 Besucher pro Jahr, die Sie im Bozener Archäologiemuseum durch Panzerglas anstarren?

Beides.

Neulich haben Sie schon wieder Schlagzeilen gemacht: Seit Züricher Forscher per Computertomographie Ihre verletzte Unterschlüsselbeinaorta entdeckt haben, ist man absolut sicher, dass Sie an den Folgen eines Überfalls starben – bei dem der Pfeil abgeschossen wurde, dessen Spitze immer noch in Ihrer linken Brust steckt.

Oh, der Überfall! Diese Schweinehunde! Feige Mörderbande! Aus dem Hinterhalt! Wenn ich die erwische!

Warum wurden Sie eigentlich umgebracht?

Nein, bitte! Es tut immer noch zu sehr weh. Lassen Sie uns lieber über etwas Positives reden. Ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Ich habe einen Bruder!

Wie bitte?

Na ja, keinen echten Bruder, eher einen im Geiste. Einen Mumien-Kollegen. Der liegt auch hier im Museum, aber hinter den Kulissen. Fünf Meter von mir entfernt, in seinem eigenen Kühlraum.

Noch ein Steinzeitmensch?

Nein, ein Österreicher, 20. Jahrhundert. Hat seinen Körper der Wissenschaft zur Verfügung gestellt. Sie haben ihn gefriergetrocknet, bis er wie ich auf 13,5 Kilo abgemagert war. An ihm probieren sie Konservierungsmethoden aus, bevor sie sie an mir anwenden. Er ist sozusagen mein Vorkoster. Feiner Kerl. Ich mag ihn.

Es gibt eine extra Leiche als Testperson?

Klar! Ich bin ja nicht unkompliziert. Ich lag fünftausend Jahre friedlich im Eis und war daran gewöhnt und dann der ganze Rummel – das verkraftet der Körper nicht so leicht. Nachdem ich 1998 von Innsbruck nach Bozen gekommen war, habe ich erst mal ziemlich viel Feuchtigkeit verloren. Dann haben sie meine Kammer innen mit Eisplatten ausgekleidet und sprühen mich alle

zwei Monate mit sterilem Wasser ein. Seitdem fühle ich mich wieder so frisch wie vor tausend Jahren.

Jedenfalls sind Sie ohne Zweifel die bestuntersuchte Leiche aller Zeiten.

Ja, die Experten sind ganz aus dem Häuschen. Hunderte von Forschungsvorhaben wurden schon an mir durchgeführt, und ständig kommen neue Anträge. Die Genetiker erkunden neue Wege, meine Mitochondrien-DNA zu analysieren; die Chemiker haben an der Isotopenzusammensetzung meines Zahnschmelzes erkannt, dass ich aus Südtirol stamme; ja, die haben sogar rausgekriegt, was ich zuletzt gegessen hatte: Getreidebrei, Steinbock und ein bisschen Rothirsch.

Allerlei Dinge wurden auch eigens für Ihre Erforschung erfunden.

Ja! Besonders stolz bin ich auf das Operationsbesteck aus Titan. Weltweit einzigartig. So gelangt, wenn sie an mir rumschnibbeln, nicht die winzigste Menge Metallabrieb in meinen Körper. Hat ein Heidengeld gekostet, aber für mich ist eben das Beste gerade gut genug – „wie bei der Formel 1“, sagt der Radiologe Dieter zur Nedden aus Innsbruck.

Werden Sie noch weitere Geheimnisse preisgeben?

Sagen wir mal so: Wenn die jetzt auch noch rauskriegen würden, was ich gedacht, wen ich geliebt und woran ich geglaubt habe – dann wäre ich ehrlich

beeindruckt.

GESPRÄCH: MARTIN RASPER

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