Amerikanische Psychologen haben bei zwei jungen Frauen eine neue Form von Synästhesie entdeckt: Das Befühlen von Oberflächen löst in ihnen starke Emotionen aus. So verursacht Jeansstoff bei einer der Frauen depressive Stimmungen, während die andere bei trockenen Blättern Ekelgefühle empfindet. Sand und Tennisbälle sowie Seide machen die Frauen hingegen glücklich.
Synästhetiker verknüpfen verschiedene Sinneseindrücke auf ungewöhnliche Weise miteinander. Häufig sind beispielsweise Farbsynästhesien, bei denen bestimmte Buchstaben, Wörter oder auch Töne und Klänge als farbig empfunden werden. Der Fall der beiden Frauen liege hingegen ein wenig anders, denn bei fast jedem Menschen seien Verbindungen zwischen Tastsinn und Gefühl vorhanden, erklären die Forscher: So empfinden die meisten Menschen beim Befühlen eines weichen Stoffes positive Gefühle, während scharfe Messer oder kantige Felsen eher abstoßen.
Für die beiden Frauen sind die dadurch ausgelösten Gefühle jedoch so stark, dass sie diese kaum unterdrücken können. Sie haben daher Strategien entwickelt, um dennoch ihren Alltag gut zu meistern und manchmal sogar von den besonderen Fähigkeiten zu profitieren. So versucht eine der Frauen, durch Singen die negativen Gefühle beim Berühren einer entsprechenden Oberfläche zu überdecken. Andererseits kann sie durch Befühlen beispielsweise von Silber ihre Stimmung deutlich aufhellen.
Die Forscher um Vilayanur Ramachandran von der Universität von Kalifornien in San Diego vermuten, dass es im Gehirn der beiden Frauen eine besonders enge neuronale Verknüpfung zwischen der Hirnregion, die für Gefühle zuständig ist, und dem mit dem Tastsinn verbundenen Hirnareal gibt. Warum sich diese Verbindung bei den Frauen auf so außergewöhnliche Weise gefestigt hat, wissen die Wissenschaftler jedoch noch nicht.
New Scientist ddp/wissenschaft.de ? Ulrich Dewald