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Gerüchteküche manipuliert Sehsystem

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Gerüchteküche manipuliert Sehsystem
Wir fühlen uns von Klatsch und Tratsch magisch angezogen und spitzen unauffällig unsere Ohren, wenn in der Kaffeepause wieder die neusten Gerüchte die Runde machen. Wie der Sozialpsychologe Eric Anderson von der Northeastern University in Boston nun in einem raffinierten Experiment zeigen konnte, fesselt Klatsch aber nicht nur unsere Ohren: Auch unser Sehsystem lässt sich von der Gerüchteküche beeinflussen. Demnach schenken wir den Gesichtern von fremden Personen sehr viel mehr Aufmerksamkeit, wenn wir zuvor etwas Negatives über sie gehört haben. ?Gerüchte beeinflussen nicht nur, was wir bezüglich einer Person denken oder fühlen, sondern auch, inwieweit wir sie überhaupt erst wahrnehmen?, fasst Anderson seine Ergebnisse zusammen.

Der Psychologe nutzte für sein Experiment ein Phänomen, das als binokulare Rivalität bekannt ist: Wird beiden Augen gleichzeitig jeweils ein unterschiedliches Bild vorgeführt, nehmen wir abwechselnd das eine und dann das andere wahr. Wie viel Aufmerksamkeit wir einem Bild schenken, hängt vermutlich damit zusammen, wie viel Bedeutung wir ihm beimessen. Für sein Gerüchte-Experiment zeigte Anderson seinen Probanden eine Bilderreihe mit Gesichtern und erzählte zu jedem Gesicht eine kleine Geschichte, die die abgebildete Person entweder in einem negativen, positiven oder ganz neutralen Licht darstellte. So wurde zum Beispiel einer abgebildeten Person unterstellt, sie hätte einen Stuhl nach ihrem Klassenkameraden geworfen. Bei einem anderen Gesicht behauptete Anderson, dass diese Person freundlicherweise einer älteren Frau die Einkauftaschen getragen hatte.

Dann begann der entscheidende Teil des Experiments. Die Versuchspersonen mussten durch ein sogenanntes Spiegelstereoskop blicken, wobei sie jeweils mit dem einem Auge eines der Gesichter sahen und mit dem anderen ein völlig belangloses Foto, zum Beispiel das eines Hauses. Die Versuchsanweisung bestand darin, genau dann einen Knopf drücken, sobald das Bild in ihrer Wahrnehmung von einem zum anderen wechselte. Das Ergebnis des Experiments war überraschend eindeutig: Gesichter, über die der Versuchsleiter zuvor negative Gerüchte verbreitet hatte, wurden mit Abstand am längsten fokussiert. ?Diese Vorliebe schützt uns vermutlich vor Lügnern und Betrügern?, erklärt Anderson, ?weil wir sie länger betrachten, können wir auch mehr Informationen über ihr Verhalten sammeln.?

Eric Anderson (Northeastern University, Boston) et al.: Science, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1126/science.1201574 wissenschaft.de – Simone Einzmann
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