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Gesangsstunde mit Zebrafinken

Erde|Umwelt

Gesangsstunde mit Zebrafinken
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Ein junger Zebrafink. © Johan Bolhuis
Junge Zebrafinken und Kleinkinder haben offenbar mehr miteinander gemein als bisher gedacht: Bevor sie klingen wie die Erwachsenen, brabbeln sie erst einmal alles nach, was ihnen die Eltern vormachen ? und nutzen dabei fast ausschließlich ihre linke Gehirnhälfte. Von Menschen ist dies zwar schon lange bekannt, für Tiere ist das jedoch relativ ungewöhnlich. Entdeckt haben die unerwartete Gemeinsamkeit jetzt Forscher der Universität in Utrecht. Ihre Schlussfolgerung: Zumindest in Bezug auf die Kommunikation muss die Evolution von Singvögeln und Menschen parallel verlaufen sein.

Im menschlichen Gehirn gibt es eine funktionelle Aufgabenteilung zwischen rechter und linker Hälfte. In der linken ist das Sprachzentrum verankert. Es wird größtenteils von zwei klar abgegrenzten Bereichen, dem Broca-Areal und dem Wernecke-Zentrum, gebildet. Sie spielen beim Erlernen der Sprache und auch beim Sprachverständnis eine entscheidende Rolle. Wenn Kinder sprechen lernen, ist demnach im Allgemeinen die linke Gehirnhälfte aktiv.

Singvögel haben ähnliche Areale in ihrem Gehirn, allerdings werden diese anders bezeichnet: Die sogenannte HVC-Region (engl. higher vocal center) entspricht in etwa dem Broca-Areal, während die NCM-Region (engl. caudomedial nidopallium) dem Wernecke-Zentrum ähnelt.

Um zu testen, ob diese Hirnregionen auch die gleichen Aufgaben wahrnehmen wie ihre Pendants beim Menschen, untersuchte das Team um Sanne Moorman 22 Zebrafinken. Dafür zeichneten die Forscher zuerst zehn Melodien von einem fremden Vogel sowie einige von den jeweiligen Vätern der männlichen Jungvögel auf. Danach spielten sie den Jungen jeweils 90 Melodien vor. In unterschiedlicher Reihenfolge erklangen dabei immer wieder die Stimme des jeweiligen Vaters und die des unbekannten Zebrafinken. Anschließend ließen die Wissenschaftler die Tiere eine Zeitlang in Ruhe, um Vergleichswerte ohne akustische Stimulation zu gewinnen. Die Aktivität der Hirnregionen machte das Forscherteam sichtbar, indem es den Tieren eine Art Kontrastmittel injizierte, das sich in Bereichen mit starker Nervenaktivität anreicherte.

Das Ergebnis ähnelt dem von Kleinkindern: Bei jungen und ausgewachsenen männlichen Zebrafinken ist eindeutig die linke Gehirnhälfte dominant. Speziell die HVC-Region ist immer aktiv, wenn die Tiere Gesang hören – egal, von welcher Stimme er stammt. Die NCM-Region wurde in den Tests allerdings nur bei Jungtieren aktiv, und auch nur dann, wenn diese das väterliche Gezwitscher hörten. Offenbar spielt diese Region eine wichtige Rolle, wenn das Singen gerade erst erlernt wird und die Vögel versuchen, sich Melodien zu merken, interpretieren die Forscher diesen Befund.

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Zusammenfassend könne man sagen: Nicht nur bei Menschen findet eine Lateralisation, also eine funktionale Trennung der Aufgaben zwischen den Großhirnhemisphären, statt, sondern auch beim Singvogel, resümieren die Forscher. Das ist eine Gemeinsamkeit, die relativ überraschend kommt. Denn bei anderen Tieren, mit denen der Mensch näher verwandt ist -wie zum Beispiel Schimpansen-, ist dabei die rechte Gehirnhälfte aktiv. Das lässt den Rückschluss zu, dass die Lateralisation eine Folge von Gehör- und Stimmbildung ist und somit aus einer konvergenten Evolution entstanden ist. Mit anderen Worten: Die Natur hat das Prinzip mindestens zweimal erfunden ? einmal beim Menschen und einmal beim Singvogel.

Sanne Moorman (Utrecht University) et al.: PNAS; doi: 10.1073/pnas.1207207109 © wissenschaft.de – Gesa Seidel
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