Die Nachricht „bitter“ wird auf dem Weg von der Zunge zum Gehirn schlicht und ergreifend gestoppt. „Der Kopf erfährt gar nicht erst, dass etwas Bitteres im Mund ist“, erklärt Richard McGregor, technischer Direktor beim US-Konzern Linguagen in Cranbury. Das Ergebnis: Die Speise schmeckt überhaupt nicht bitter, sonst aber wie eh und je. „Wir verkaufen die Substanz bereits als Zusatzstoff für Nahrungsmittel-Aromen“, berichtet McGregor. Auch in Europa möchte das Unternehmen nach eigenen Angaben eine Zulassung beantragen.
Der Anti-Bitterstoff mit der Bezeichnung AMP könne künftig viele Gerichte wohlschmeckender machen, wobei deren gesundheitlicher Wert nicht beeinträchtigt werden soll. Beispielsweise wird Kakao zur Zeit entbittert, damit die Schokolade genießbar ist. Dabei sind es vor allem die gesundheitsfördernden Polyphenole, die für den bitteren Geschmack sorgen. Mit dem Anti-Bitterstoff bleiben die Polyphenole dagegen auch in großen Mengen unbemerkt.
Doch nicht nur die Polyphenole, sondern auch andere gesundheitsfördernde Pflanzenstoffe schmecken bitter. Eine Neutralisierung des unangenehmen Geschmacks werde damit den Verbrauchern zugute kommen, weil sie dann beispielsweise Radicchio oder Ruccola mit größerem Genuss verzehren können, so hoffen die Forscher. „Andere Anwendungen sind milderer Kaffee, Grapefruitsaft und besser schmeckende Soja-Produkte“, erklärt McGregor. „Mit den Zusatzstoffen schmeckt der Kaffee milder und angenehmer“, so eine Studienmitarbeiterin, die den AMP-Kaffee selbst probiert hat.
Bereits sehr geringe Mengen an AMP genügen, um die Bitterkeit zu überlisten. „Deshalb denken wir darüber nach, den Bitterblocker als Gewürz zu vermarkten“, fügt McGregor hinzu. Eine Prise AMP und die Speise wäre wohlschmeckend. Auch künstliche Lebensmittelzusätze selbst verlangen wiederum nach dem Bitterblocker. Etwa das Salz Kaliumchlorid, das Fertiggerichten zur Festigung und als Geschmacksverstärker beigemengt wird. In reiner Form schmeckt das Salz unangenehm bitter. Wird es mit dem Bitterblocker vermischt, wird dieser unerwünschte Nebeneffekt ausgeblendet.
Auch allzu bittere Medikamenten-Tropfen und Lutschtabletten ließen sich mit AMP leichter schlucken. Ein Risiko geht laut McGregor von dem Anti-Bitterstoff nicht aus. „Der Stoff kommt in jeder Zelle vor und ist damit in jedem Lebensmittel natürlich vorhanden. Unsere Erfindung lag darin, zu entdecken, dass der Stoff die Wahrnehmung des bitteren Geschmackes in Gehirn unterbindet“, berichtet McGregor.
Allerdings verschmähen Menschen auch deshalb Bitteres, weil viele sehr giftige Substanzen bitter schmecken. Darunter das Gift der Tollkirsche Atropin, Strychnin aus der Brechnuß, aber auch Koffein und Nikotin. Mit AMP werden die Geschmackssinne quasi übertölpelt, die Warnung vor den schädlichen Stoffen unterbleibt. McGregor erwartet, dass der Bitterblocker dennoch keinen Schaden anrichten wird. Er werde zum Beispiel nicht dazu verleiten, Kaffee literweise zu trinken.
Ein bitterer Geschmack auf der Zunge wird dadurch wahrgenommen, dass Geschmackrezeptoren im Mund beim Kontakt mit einem Bitterstoff das Eiweiß Gustducin freisetzen. Dadurch wird ein Nervenimpuls ausgelöst, der dem Gehirn die Information „bitter“ übermittelt. Der Bitterblocker verhindert die Ausschüttung von Gustducin. Folglich wird auch kein Nervenimpuls von der Zunge zum Gehirn gesendet
Alle Geschmackseindrücke, ob süß, salzig oder sauer, lassen sich prinzipiell blockieren, glaubt McGregor. Doch weil kein anderer so unbeliebt ist wie die Bitterkeit, soll nur diese ausgeschaltet werden. Die Botschaft „süß“ könnte hingegen auf dem Weg ins Gehirn sogar verstärkt werden, glauben die Wissenschaftler. Gut möglich, dass die Fertigpizza in ein paar Jahren süß schmeckt, ohne wirklich süß zu sein und nicht im Geringsten bitter, obwohl sie eigentlich bitter ist.