Vermutet hatte es der Chemiker Martin Kaupp von der Universität Würzburg schon lange, experimentell bewiesen wurde es erst jetzt: Quecksilber (Hg) kann nicht nur zwei-, sondern auch vierwertig sein.
Bei der Reaktion mit dem aggressiven Gas Fluor verbindet sich Quecksilber normalerweise mit zwei Fluor-Atomen (HgF2), ist also zweiwertig (Oxidationsstufe +2). Kaupp hatte aber bereits 1993 behauptet, dass es auch die vierwertige Stufe des Elements in Form von Quecksilber-Tetrafluorid (HgF4) geben müsse. Dabei sind vier Fluor-Atome quadratisch um ein Quecksilber-Atom angeordnet.
Doch so sehr sich Wissenschaftler in aller Welt auch bemühten –p es gelang ihnen nicht, HgF4 herzustellen. Erst jetzt konnte Kaupp gemeinsam mit seinem US-Kollegen Lester Andrews von der University of Virginia das Quecksilber-Tetrafluorid zweifelsfrei nachweisen. Das Experiment fand bei einer Temperatur von unter minus 260 Grad Celsius statt. Die Forscher wählten als Reaktionsmedium Neon, das erst bei dieser Kälte fest wird. Der eiskalte Trick ist nötig, um das Edelgas später zum Reagieren zu zwingen. Zunächst wurde das kalte Neon mit Quecksilber-Atomen und Fluor-Molekülen bestückt. Danach erwärmten die Wissenschaftler das Ganze und belichteten es. Dadurch zerfielen die Fluor-Moleküle in Atome, die sich mit dem Quecksilber verbanden. Dabei erhielten die Chemiker 90 Prozent HgF2, aber auch 10 Prozent HgF4,, worin das Quecksilber-Atom die Oxidationsstufe +4 einnimmt. Der Beweis der Existenz von HgF4 hat schwerwiegende Folgen für die Lehrbücher der Anorganischen Chemie: Ihre Kapitel über das Quecksilber müssen umgeschrieben werden.