Ein Bindeglied der Evolution
Jetzt haben der Paläontologe Sam Heads und sein Team einen ersten beeindruckenden Fund vorgestellt: einen kleinen Grashüpfer, etwa so groß wie ein Rosendorn, eingeschlossen in 18 bis 20 Millionen altem Harz. Die Schrecke ist aber nicht nur wegen ihrer perfekten Konservierung so besonders. Vielmehr stellt sie ein bisher unbekanntes Stadium der Evolution der Unterfamilie der Cladonotinae dar: Deren moderne Vertreter haben keine Flügel mehr, ihre ältesten Vorfahren dagegen schon. Die jetzt entdeckte Schrecke weist Überreste von Flügeln auf, Strukturen, die schon nicht mehr zum Fliegen taugten – eine klassische Übergangsform. Heads ist begeistert von seinem Fund und benennt den kleinen Grashüpfer nach seinem Kindheitsidol, dem Naturalisten und Filmemacher Sir David Attenborough. „Sir David hat ein persönliches Interesse an Bernstein und er ist immer noch einer meiner Helden“, erzählt Heads. Deshalb heißt die neue Gattung nun Electrotettix attenboroughi: Electrum ist die lateinische, aus dem griechischen übernommene, Bezeichnung für Bernstein, tettix ist griechisch für Grashüpfer. Natürlich mit dem Einverständnis des bekannten Briten.
Besser als Dinosaurierknochen
Doch die Schrecke war nicht das einzige Tier, das sich in dem untersuchten Bernsteinfragment befand. Daneben fanden die Forscher auch Ameisen, Wespen, Pflanzenüberreste und Pilze. Eine solche Ansammlung von Fossilien verrät nicht nur viel über die einzelnen Arten, sond ern auch über ihren Lebensraum, ihre Nahrung und die Lebensbedingungen zu ihrer Lebenszeit. „Fossile Insekten sind eine gigantische Quelle, um die altertümliche Welt, historische Ökosysteme und Klimabedingungen zu verstehen“, so Heads. „Vielleicht sogar eine bessere als Dinosaurierknochen.“
Illinois Natural History Survey Paläontologe Sam
Heads, links, und Labortechniker Jared Thomas
Doch bis die Paläontologen und Techniker all diese Schätze bergen können, brauchen sie eine Menge Geduld. Die Untersuchung dieser enormen Sammlung ist mühsam, die meisten Stücke sind durch Oxidation verdunkelt und müssen erst vorsichtig gereinigt werden. Die Wissenschaftler wischen dabei kleine Fenster in die Schicht auf den Bernsteinblöcken, um in deren Inneres sehen zu können. Bisher haben sie so neben dem Zwerggrashüpfer auch zum Beispiel Spinnen, Borkenkäfer, Gallmücken und sogar ein Mammuthaar gefunden. Unterstützt wird das Team dabei von der National Science Foundation. Noch liegen vor ihnen Jahre voll Arbeit, doch immerhin winkt am Ende der Ruhm, die größte unverfälschte Sammlung dominikanischen Bernsteins erforscht zu haben, die es auf der Welt gibt.
Quelle: Sam Heads, M. Thomas, Yinan Wang. A remarkable new pygmy grasshopper (Orthoptera, Tetrigidae) in Miocene amber from the Dominican Republic . ZooKeys, 2014; 429: 87 DOI: 10.3897/zookeys.429.8020
Fotos: courtesy of Kaitlin and Kevin Southworth/ L. Brian Stauffer