Wann immer ein Online-Nachrichtenportal eine Meldung über Feinstaub bringt, versammeln sich binnen weniger Minuten diejenigen Kommentatoren darunter, die die Schuld bei anderen suchen. Doch so wahr es ist, dass Großindustrien, Schifffahrt usw. für sehr viele Probleme durch Energieverbrauch und Emissionen verantwortlich sind, so sind jedoch Privathaushalte hierzulande in ihrer Summe ein wahrhaft gigantischer Hebel. Doch welche Ansätze, die über das Heutige hinausgehen, könnten mittel- und langfristig überhaupt realisiert werden? Dabei muss zudem unterstrichen werden, dass das, was der folgende Artikel zeigen wird, zwar enorm effektiv wäre, aber natürlich gegen entsprechende Widerstände der Wähler durchgesetzt werden müsste. Es dürfte daher eher bei theoretischen Konzepten bleiben, die in der Realität höchstens teilweise umgesetzt werden.
In Zahlen
Behauptungen sind Schall und Rauch und daher bestenfalls für den Stammtisch zu gebrauchen. Fakt ist, die durch Privatleute erzeugten Energieverbräuche rangieren in Deutschland nicht unter „ferner liefen“, sondern liegen auf höchstem Niveau. Die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen im Umweltbundesamt gibt für 2016 folgende Verbräuche in Terawattstunden aus:
- Verkehr: 749TWh
- Industrie: 717TWh
- Haushalte: 665TWh
- Gewerbe/Handel: 411TWh
Dabei kommt hinzu, dass der Punkt „Verkehr“ noch gesplittet werden muss: Von der Gesamt-Beförderungsleistung in Milliarden Kilometern per Anno liegt der private Verkehr in Deutschland bei über einer Billion Kilometern, wohingegen der Güterverkehr, schon wegen der wenigeren Fahrzeuge, gerade auf die Hälfte kommt.
Daher ist das Eichmaß aller energetischen Dinge, was die tatsächlichen Verbräuche und realistischsten Einsparpotenziale anbelangt, die vierköpfige Familie in einem Einfamilienhaus mit zwei Autos. Sie ist, zusammen mit den restlichen Haushalten, für einen fast ähnlich hohen Anteil an allen Verbräuchen verantwortlich, wie es die gesamte Wirtschaft ist. Ein solcher „Vierpersonen-Einfamilienhaus-Musterhaushalt“ verbraucht jährlich ca. 4000 Kilowattstunden an Energie, wovon ca. 30% auf die Elektrifizierung entfallen, der Rest auf Heizung bzw. Warmwasserbereitung, das schlägt mit 1.500-2.000 Euro zu Buche. Dieser Haushalt wird jetzt bereits gezwungen, sich an die Vorgaben der Energieeinsparverordnung EnEV sowie das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz EEG zu halten. Dadurch müssen Neubauten bestimmte Maximal-Wärmedurchgangskoeffizienten erreichen wie sie ihren Energieverbrauch anteilig durch erneuerbare Ressourcen decken müssen. Allerdings ist das nur ein Anfang. Ein Kompromiss, der sich vornehmlich auf politische Machbarkeit stützt. Darauf, Bürger nicht zu stark zu belasten. Experten sind sich jedoch nicht nur darüber einig, dass das nur Minimalkonsens ist, sondern, dass mehr nötig ist, um Klimaziele zu realisieren.
1. PV-Zwang
Wer heute ein Haus baut, dem steht es im Rahmen des EEG relativ frei, für welche alternativen Energieträger er sich entscheidet. Doch einzelne Regionen gehen schon heute einen strengeren Weg. So schreibt Tübingen seit neuestem Neubauten eine Photovoltaik-Installation vor, sobald diese sich „für den Eigentümer wirtschaftlich rechnet“, da dies bei Eigenverbrauch praktisch eine selbsterfüllende Vorgabe ist, kann man von einer PV-Pflicht sprechen.
Tatsächlich ist es relativ wahrscheinlich, dass das mittelfristig die Zukunft sein wird. Vielleicht nicht über länder- oder bundespolitische Vorgaben. Aber durch die kommunalen Möglichkeiten, auf Baugesetze in ihrem Bereich Einfluss zu nehmen, könnte es künftig für jeden Neubau Pflicht sein, Photovoltaikanlagen zu installieren, längerfristig mitunter auch zur Nachrüstung.
Sinnig wäre dies mit Sicherheit. Selbst wenn dadurch der Gesamt-Stromverbrauch der Haushalte nur um die Hälfte reduziert würde, würde das ein Abschalten fast sämtlicher Kraftwerke, die auf nicht-erneuerbarer Energie basieren, ermöglichen, deren Anteil am Strommix beträgt nämlich derzeit 59,9%.
2. Zweitwagen-Gebot
Je ländlicher eine Familie lebt, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie mehr als ein Auto besitzt. Schon innerhalb der Wohnsiedlungen im Einzugsbereich von Städten ist das die Norm. Oft genug unterliegt jedoch der zweite Wagen keiner vollwertigen Nutzung, sondern ist für die Familie mehr eine Art automobiles Nutztier, welches für alltägliche Fahrten abseits des zwingend Notwendigen (lies: berufsbezogenes Pendeln) herangezogen wird.
Tatsächlich stünden über die Kfz-Zulassungskarteien und Melderegister bereits heute alle Möglichkeiten offen, solche Haushalte zu zwingen, dass der Zweitwagen in jedem Fall elektrisch sein müsse. Oder, wie es der Stuttgarter OB Kuhn formulierte: „Es ist quasi eine patriotische Pflicht, dass derjenige, der einen Zweitwagen kauft, sich für ein Elektroauto entscheidet.“ Zwar im zitierten Falle nur auf seinen Verantwortungsbereich bezogen, doch so auch für ganz Deutschland gültig.
Für die meist vergleichsweise kurzen Strecken, die diese Autos absolvieren, wäre das kein praktischer Nachteil und hätte durch Steuerersparnisse sogar noch versteckte Vorteile.
3. Dämm-Pflicht
Wo Neubauten stark vom Gesetzgeber herangezogen werden, existieren für Bestandsgebäude zahlreiche energetische Lücken, sowohl im übertragenen wie wörtlichen Sinn. Eine echte Dämmpflicht besteht nur für das oberste Stockwerk. Fassaden, Fenster usw. müssen nur in dem Fall gedämmt werden, dass mindestens zehn Prozent davon vollständig ausgetauscht werden. Dabei muss man jedoch beachten, dass je nach Bundesland ein enorm Hoher Anteil an Wohngebäuden aus der Prä-Energiespar-Ära stammt und für verzerrt hohe Verbräuche verantwortlich ist.
Hier könnte eine Pflicht helfen: Sobald das Haus erst nach einem Stichtag erworben oder bezogen wurde, müssen automatisch Fenster und Außentüren ausgetauscht, eine moderne Fassadendämmung sowie energiesparende Heizungen installiert werden. Ohne Wenn und Aber.
4. Versorgungs-Kontingente
Musterverbräuche spiegeln immer nur einen Durchschnitt wider, der in der Realität jedoch in Einzelhaushalten stark nach oben abweichen kann. Das gilt für Strom ebenso wie für den Heizenergieträger und Wasser. Apelle, zu sparen, gibt es viele. Doch bislang noch keinen wirksamen Zwang.
Der allerdings könnte spätestens dann kommen, wenn das Smart-Metering in Deutschland abgeschlossen ist. Noch bezieht sich dieser Begriff ausschließlich auf den Stromverbrauch. Doch bereits jetzt müssen neue Gaszähler ebenfalls an intelligente Messsysteme anbindbar sein. Ein Ausdehnen dieser Pflicht auf Wasserzähler ist nur einen Gesetzesentwurf entfernt.
Damit wäre es dann möglich, jederzeit über alle tatsächlichen Ist-Verbräuche eines einzelnen Haushalts informiert zu sein, anstatt nur nachträglich oder über Durchschnittswerte. Dann wiederum könnte es eine Option sein, jedem Haushalt, abhängig von Lage, Personenzahl, Alter des Gebäudes, Größe des Grundstücks und der tatsächlichen klimatischen Bedingungen vor Ort gesetzliche Vorgaben zu machen. Und zwar, wie viel Strom, Heizenergie, Wasser er tatsächlich verbrauchen darf. Alles, was über diese Kontingente hinausgeht, wird mit Strafsteuern belegt. Gekoppelt werden könnte das mit der Eigenerzeugung basierend auf der PV-Pflicht aus dem ersten Punkt.
Das wäre zwar eine radikale Maßnahme, aber eben auch sehr erzieherisch und für die Umwelt effizient.
5. Verbrennungsmotor-Verbot
Als die Partei der Grünen 2016 und 2017 ein Verbot aller Neuzulassungen von Verbrennungsmotoren ab 2030 forderten, war der Aufschrei gigantisch. Dabei wäre es, selbst dann, wenn es ausschließlich auf Privatleute bezogen würde, der wohl effektivste einzelne Schritt in Sachen Klimaschutz, der in Deutschland möglich wäre, denn die städtische deutsche Luft ist zum Schneiden.
Tatsächlich dürfte jedoch ein solches Verbot, um richtig zu greifen, nur der erste Schritt sein. Denn man muss nur tagtäglich auf der Straße unterwegs sein, um zu erkennen, welches Alter ein gutgepflegtes Auto erreichen kann. Anders ausgedrückt, ein Verbot der Benziner- und Diesel-Neuzulassungen ab 2030 würde nur alle danach hergestellten Autos betreffen und den Fahrzeugbestand nur sukzessive wandeln. Bis 2050 würde sich der „Altbestand“ kaum ausdünnen, erst recht mit der Gewissheit, nun zwangsweise Pflege betreiben zu müssen, um der Pflicht zu entgehen.
Es wäre also notwendig, das Verbrennungsmotorverbot an eine Restlaufzeit für alle verbleibenden PKW zu koppeln, um zu verhindern, dass sich einfach nur ein gigantischer Oldtimer-Bestand etabliert (der nach dem heutigen Modell zudem nach 30 Jahren auch noch massiv steuerlich begünstigt würde). Sprich, für jedes Erstzulassungsjahr, das vor 2030 liegt, wird eine Maximallebensdauer vorgeschrieben, nach der das Auto unabwendbar stillgelegt wird. Das könnte sogar kostenneutral gekennzeichnet werden: Seitdem HU und AU gekoppelt wurden, wird nur noch auf dem hinteren Kfz-Kennzeichen eine Plakette aufgeklebt. Der freie Raum auf dem vorderen Kennzeichen könnte dann von einer farbcodierten Plakette eingenommen werden, welche das Erstzulassungsjahr dokumentiert und so auf einen Blick anzeigt, wann das Auto zur Stilllegung vorgesehen ist.
18.09.2018