Wenn Frauen schon in jungen Jahren ein Kind bekommen, vermindert sich ihr Risiko, im Laufe des Lebens an Brustkrebs zu erkranken. Eine Erklärung für diesen bekannten Schutzeffekt gab es bisher nicht. Jetzt haben Wissenschaftler des Baylor College of Medicine in Houston im Tierversuch nachgewiesen, dass die Schwangerschaftshormone Progesteron und Östrogen die Aktivität des Anti-Krebs-Gens p53 im Brustgewebe dauerhaft stimulieren. Im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences formulieren sie eine „Zell-Schicksals-Hypothese“, die erklären soll, warum die während einer frühen Schwangerschaft gebildeten Hormone einen prägenden Einfluss auf die spätere Krebsanfälligkeit des Brustgewebes haben.
Das Forscherteam von Bert O’Malley behandelte junge weibliche Ratten und Mäuse mit Progesteron und Östrogen, um eine Schwangerschaft zu simulieren. Diese Hormonbehandlung erhöhte die Aktivität des Tumorsuppressor-Proteins p53 im Brustgewebe dauerhaft. p53 spielt als „Wächter des Genoms“ eine zentrale Rolle bei der Reaktion von Zellen auf DNA-Schäden, die zum Beispiel durch Krebs auslösende Stoffe verursacht werden. Je nach Art der Schädigung zieht das Protein gewissermaßen die Notbremse, indem es die Zellteilung stoppt oder die Selbstzerstörung einleitet. Damit verhindert es krebsartiges Zellwachstum.
Um die hormonbedingte Langzeitwirkung zu erklären, postulieren die Wissenschaftler eine Art schicksalhafter Prägung auf zellulärer Ebene: Demnach verändern Schwangerschaftshormone während einer kritischen Phase im Leben einer jungen Frau die weitere Entwicklung bestimmter Zellen des Brustgewebes. Das geschieht auf noch nicht näher bekannte Weise, indem sie das p53-Gen dauerhaft aktivieren und das p53-Protein stabilisieren. Dadurch werden diese Zellen und deren Nachkommen weniger krebsanfällig.
Die weitere Aufklärung dieses Schutzmechanismus könnte es ermöglichen, vorbeugende Maßnahmen zur Senkung des Brustkrebsrisikos zu entwickeln. Brustkrebs ist die bei Frauen häufigste Krebsform. In den westlichen Industrieländern erkrankt etwa jede zehnte Frau daran. In den meisten Fällen von Brustkrebs ist das p53-Gen mutiert oder inaktiviert.
Joachim Czichos