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Hunde unterscheiden Absicht von Versehen

Kognitionsforschung

Hunde unterscheiden Absicht von Versehen
„Unable versus Unwilling“-Test: Hunde liefen schneller um eine Trennwand herum, um Futterstücke zu erreichen, wenn diese unabsichtlich nicht gegeben wurden. (Bild: Josepha Erlacher)

Sie befolgen „Sitz!, „Platz!“ „Komm!“. Hunde scheinen uns zu verstehen – doch wie weit reicht der tierische Verstand wirklich? Forscher haben nun beleuchtet, inwieweit sich die Vierbeiner in uns hineinversetzen können. Ihre Versuchsergebnisse legen nahe, dass Hunde den Unterschied zwischen absichtlichen und unabsichtlichen Verhaltensweisen des Menschen erfassen – sie stellen sich auf die jeweilige Absicht ein. Dabei handelt es sich um eine ausgesprochen komplexe Leistung ihrer sozialen Intelligenz, sagen die Wissenschaftler.

Was wissen, wollen oder fühlen andere? Erfassen zu können, was im Gegenüber vorgeht, ist ein Schlüsselelement des menschlichen Sozialverhaltens. Die im Rahmen der sogenannten „Theory of Mind“ beschriebene Fähigkeit entwickelt sich Studien zufolge schon im frühen Kindesalter und nimmt dann immer komplexerer Formen an. Lange galt dies als eine exklusive Leistung unseres hochentwickelten Verstandes. Doch mittlerweile gibt es auch tierische Belege für die Fähigkeit zur mentalen Zuschreibung. Neben Menschenaffen und Rabenvögeln wurden auch bereits bei Hunden Aspekte dieser kognitiven Begabung festgestellt. Wie weit sie reicht, haben nun die Wissenschaftler um Juliane Bräuer vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena weiter ausgelotet.

„Unable versus Unwilling“-Test

Ihr Fokus lag dabei auf der Fähigkeit der Vierbeiner, unsere Absichten zu erfassen. Konkret gingen die Forscher der Frage nach: Begreifen Hunde, wann Menschen absichtlich oder unabsichtlich handeln, und verfügen sie damit über diese grundlegende Komponente der Theory of Mind? Bei der Studie nutzten die Wissenschaftler erstmals bei Hunden den sogenannten „Unable versus Unwilling“-Test. Er wird bei Kindern eingesetzt, um Reaktionsunterschiede zu erfassen, wenn sie mit einem Menschen konfrontiert sind, der entweder zu etwas nicht fähig (unable) oder nicht willens ist (unwilling). Bräuer und ihre Kollegen wendeten das Untersuchungsverfahren nun hingegen bei 51 privaten Familienhunden an.

Jeder wurde dazu mit drei Szenarien konfrontiert, bei denen Hund und Versuchsleiter durch eine transparente Wand voneinander getrennt waren, die das Tier aber theoretisch umlaufen konnte. Die Hunde wurden zunächst damit vertraut gemacht, dass sie durch eine Öffnung in der Trennwand einzelne Futterstücke erhielten. Bei dem „Will nicht“-Versuchsansatz zog der Versuchsleiter das Futterstück in einer absichtlichen Bewegung zurück und legte es vor sich auf den Boden. In der „Kann nicht – Ungeschickt“-Variante versuchte die Person das Futter durch die Öffnung zu reichen, scheiterte dann aber aus Ungeschicklichkeit: Die Belohnung fiel „aus Versehen“ auf den Boden – außerhalb der direkten Reichweite des Hundes. In einer weiteren „Kann nicht-Blockiert“-Version, war die gewollte Übergabe hingegen nicht möglich, weil die Öffnung in der Trennwand plötzlich geschlossen worden war. Letztlich landeten die Futterstücke in allen drei Fällen auf dem gleichen Platz vor dem Experimentator. Die Frage war nun: Reagieren die Hunde auch immer gleich?

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Absicht verursacht Zögern

„Wenn Hunde tatsächlich Menschen Absichtlichkeit zuschreiben können, würden wir erwarten, dass sie andere Reaktionen in der „Will nicht“- als in den beiden „Kann nicht“-Bedingungen zeigen. Und dies war tatsächlich der Fall“, berichtet Bräuer. Wie die Forscher erklären, lag der Unterschied darin, wie lange die Hunde warteten, bevor sie sich der entgangenen Belohnung näherten, indem sie um die Absperrung herumliefen. Sie warteten länger in der „Will nicht“-Bedingung als in beiden „Kann nicht“-Bedingungen. Als Ursache sehen die Forscher dabei: Wenn die Hunde die Absichtlichkeit erkennen, zögern sie bei Handlungen, die dem Willen des Menschen widersprechen. Bei dem Futter, das die Versuchsleiter ihnen eigentlich geben wollten, aber nicht konnten, gibt es hingegen keinen Grund zum Zögern, so die Interpretation.

Den Wissenschaftler zufolge untermauerten weitere Verhaltensunterschiede bei den verschiedenen Bedingungen diesen Erklärungsansatz: In der „Will nicht“-Bedingung setzten oder legten sich die Hunde demnach häufiger hin – Handlungen, die im Rahmen der Beurteilung von Hundeverhalten als Beschwichtigungsgeste interpretiert werden. Außerdem stellten die Versuchstiere oft das Schwanzwedeln ein, wenn ihnen das Futter willentlich vorenthalten wurde. „Die Hunde in unserer Studie reagierten eindeutig unterschiedlich,“ betont Erstautorin Britta Schünemann.

Die Wissenschaftler geben allerdings zu bedenken, dass sie ihren Erklärungsansatz für die festgestellten Verhaltensunterschiede bisher nicht definitiv beweisen können. Was wirklich in Hundeköpfen vorgeht, gilt es nun in weiteren Untersuchungen noch besser zu klären. Dennoch kommen sie aber zu dem Schluss: „Die Ergebnisse dieser Studie stellen erste bedeutende Hinweise dazu dar, dass Hunde die Fähigkeit beisitzen, Absichtlichkeit zu erkennen.“

Quelle: Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, Fachartikel: Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-021-94374-3

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