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„Ich war eine Diva!“

Interview mit einem Altstar

„Ich war eine Diva!“
Die Bavaria-Buche über vergangene Größe, missglückte Rettungsversuche und öffentliches Sterben. Hallo Frau Buche, wie geht’s? Besch.! Schauen Sie, wie ich aussehe! Man zwingt mich, in aller Öffentlichkeit zu sterben. Das ist einer Diva nicht würdig! Warum geht’s Ihnen denn eigentlich so schlecht? Der Brandkrustenpilz! Das Mycel steckt in jeder Faser. Und im Gebälk zwickt’s an allen Ecken und Enden. Alle paar Jahre kracht einer der großen Äste runter. Ich bin eine Ruine! Und zu meinen

Besch.! Schauen Sie, wie ich aussehe! Man zwingt mich, in aller Öffentlichkeit zu sterben. Das ist einer Diva nicht würdig!

Warum geht’s Ihnen denn eigentlich so schlecht?

Der Brandkrustenpilz! Das Mycel steckt in jeder Faser. Und im Gebälk zwickt’s an allen Ecken und Enden. Alle paar Jahre kracht einer der großen Äste runter. Ich bin eine Ruine! Und zu meinen Füßen tummelt sich Kroppzeug: Holunder, Weißdorn. Unterschichtengestrüpp!

Dann lassen Sie uns von besseren Zeiten sprechen.

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O ja! Ich war ein Supermodel! Mein Body war perfekt. Meine Krone hatte über 30 Meter Durchmesser und bedeckte 700 Quadratmeter. Ich war einer der meistfotografierten Bäume der Welt. Das Urbild eines Baumes! Die Leute kamen in Bussen her. Naja, vorbei.

Wie kamen Sie überhaupt zu diesem tollen Körper? Buchen sind doch meist dünner und höher.

Meine Form entstand, weil in meiner Jugend das Vieh an meinen Trieben gefressen hat. Da kriegen Sie keinen hohen Stamm hin. Damals lebte ich noch in einem Wäldchen. Na, und irgendwann war ich als Einzige übrig geblieben und stand allein auf weiter Flur.

Und warum ging es plötzlich bergab mit Ihnen?

Es fing damit an, dass sie mir irgendwann Beton in den Stamm gekippt haben, um mich zu „stabilisieren“. In den 60er Jahren muss das gewesen sein. War lieb gemeint, aber leider kontraproduktiv. Durch die Feuchtigkeit konnte sich der Pilz in mir ausbreiten. Und weil ich ja leider auch gedopt war .

Sie waren gedopt?

Unfreiwillig! Um mich rum sind ja lauter Äcker und Wiesen – was glauben Sie, was da ständig an Dünger reingepumpt wird! Das war das Verhängnis. Normalerweise muss man bei meiner Wuchsform irgendwann das Wachstum reduzieren. Kleinere Zweige, weniger Blätter. Damit das alles überhaupt noch zu halten ist. Aber meine Äste sind gewachsen wie blöde. Die Hebelkräfte sind unvorstellbar! Na, und 1995 brach dann am helllichten Tag dieser riesige Ast aus meiner Krone. Da sind dann auch die Menschen aufgeschreckt.

Begann damals der Streit um Sie?

Ja, das ging hoch her seinerzeit. Die einen wollten „der Natur ihren Lauf lassen“; die anderen wollten mich stützen, sozusagen lebensverlängernde Maßnahmen ergreifen. Der Herr Wittmann zum Beispiel …

… der Ingolstädter Baumexperte, der umfangreiche Gutachten über sie erstellt und als erster den Pilz entdeckt hat …

Der wollte mich retten! Mit modernen dynamischen Seilsystemen, die kaum auffallen, wie er sagt. Aber die Behörden haben ihn nicht gelassen. Die waren der Meinung, es hat keinen Sinn mehr. Das ist wohl bei den Menschen ähnlich. Wenn Sie über 90 sind, habe ich gehört, zahlt Ihnen die Kasse auch kein künstliches Hüftgelenk mehr.

Haben Sie eigentlich Schmerzen?

Das können Sie glauben! Aber ich hab mich dran gewöhnt. Wir sind alle nur Gäste auf Erden. Außerdem: Noch lebe ich ja! Und ich gedenke das noch ein paar Jährchen zu tun. Ich bringe auch neues Leben hervor: Ableger aus meinen Samen wurden nach halb Europa verkauft. Im Rheinland und in Berlin stehen Kinder von mir, in Spanien, sogar in Schweden.

Dürfen wir zum Schluss noch was Persönliches fragen? Wie alt sind Sie denn nun wirklich?

Das fragt man eine Dame nicht! Ich sage nur: Ich bin alt genug. Aber 800 oder gar 900 Jahre, wie immer behauptet wird, sind es nicht.

GESPRÄCH: MARTIN RASPER

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