Insgesamt 27 Kaviardosen haben Arne Ludwig vom Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung und seine Kollegen auf Märkten und in Fischläden am Schwarzen Meer und entlang der Donau-Ufer besorgt. Anschließend untersuchte der Genetiker die Stichproben im Labor, um mithilfe von DNA-Analysen die jeweilige Stör-Art zu bestimmen. Sein Ergebnis: 10 der Fischdosen enthielten das, was das Etikett versprach. Doch 17 der Proben aus Rumänien und Bulgarien waren gefälscht oder falsch deklariert. Bei einigen stimmten die auf der Büchse genannte Fischart und der Inhalt nicht überein, bei anderen waren die Dosen mit Fischrogen vom Seehasen oder mit zerkleinertem Stör-Fleisch gefüllt. In sechs Proben konnte Ludwig nicht einmal tierische DNA entdecken. „Der vermeintliche Störrogen könnte aus Pflanzenmaterial und Geschmacksstoffen hergestellt worden sein“, erklärt Ludwig.
Besonders besorgt ist der Genetiker über das Ergebnis von vier Proben, die in Restaurants oder von Straßenverkäufern angeboten wurden, „und zwar explizit als Kaviar von wilden Donau-Stören“. Die Fischeier stammten demnach vom Beluga-Stör, der besonders stark vom Aussterben bedroht ist. Über diese Art haben die EU-Staaten ein absolutes Fangverbot verhängt, damit sich die wenigen Populationen wieder erholen können – auch weil die Tiere erst nach einigen Jahren geschlechtsreif werden.
Laxe Kontrollen gefähren den Stör
Der Forscher bezweifelt stark, dass die Störproduktion ordnungsgemäß kontrolliert wird. Den Kaviar aus Deutschland etwa prüft das Bundesamt für Naturschutz, vergleichbare Behörden übernehmen diese Aufgaben im EU-Ausland. „Es ist aber gut vorstellbar, dass bei solch einem profitablen Geschäft Korruption eine große Rolle spielt.“ Denn der Stör fällt unter das Washingtoner Artenschutzabkommens (CITES) und die Herstellung von Kaviar unterliegt deshalb strengen Auflagen. Ein entsprechendes CITES-Label auf dem Etikett soll die korrekte Produktion garantieren. „Aufgrund der Proben haben wir jedoch den Eindruck, dass Händler eigene CITES-Etiketten ausdrucken und aufkleben“, so Ludwig.
Dass Kaviar illegal produziert wird, haben Wissenschaftler schon früher festgestellt. „Vor fünf bis zehn Jahren gab es bereits ähnliche Untersuchungen, aber es wurden weniger Fälschungen entdeckt. Jetzt hat deren Zahl zugenommen.“
Die letzten Störe in der EU
In Rumänien und Bulgarien existieren die letzten verbliebenen wild lebenden Störpopulationen innerhalb der EU. Doch der Kaviarhandel gefährdet sie. Denn anders als in vielen Aquakulturen werden in der Wildnis gefangene Tiere gekeult, um ihnen den Fischrogen zu entnehmen. In der Fischzucht werden den Stören die Eier gewöhnlich in betäubtem Zustand abgestreift. Anschließend näht man die Tiere wieder zu. „Immerhin ungefähr 70 Prozent aller Tiere überleben diese Prozedur“, sagt Genetiker Ludwig. Dazukommt: Der Fang von wilden Tieren erhöht den Profit: „Bei ihnen fallen keine Haltungskosten an, das bedeutet eine Gewinnmaximierung.“
Damit der Stör nicht völlig aus Europa verschwindet, plädiert Ludwig dafür, die Fischerei in der Donau und im Schwarzen Meer stärker zu kontrollieren, besonders in Bulgarien und Rumänien. Und der Wissenschaftler hofft, dass die EU die genetischen Untersuchungen zum Anlass nimmt, gegen den illegalen Handel von Kaviar engagiert vorzugehen.