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Impfung gegen Ebergeruch

Erde|Umwelt

Impfung gegen Ebergeruch
Ferkel
Die meisten Ferkel werden bis heute ohne Betäubung kastriert - das soll sich ändern (Foto: Universität Hohenheim / Sacha Dauphin)

Zwei kleine Pikse statt schmerzhafter Schnitte – die tierfreundliche Alternative zur chirurgischen Ferkelkastration ohne Betäubung gibt es längst. Bei der sogenannten Immunokastration sorgt eine Impfung dafür, dass die männlichen Ferkel nicht in die Pubertät kommen. Das vermeidet den unangenehmen Ebergeruch des Fleisches. Doch obwohl diese Impfung schon zugelassen ist, wird sie bei uns in Deutschland noch kaum praktiziert.

Es ist zurzeit eine der größten Herausforderungen für die Schweineproduktion in Europa. Ein Teil der männlichen Ferkel entwickelt nach der Pubertät einen unangenehmen Ebergeruch, der ihr Fleisch nahezu unbrauchbar macht. Außerdem werden viele Jungeber aggressiv. Bisher wird dies verhindert, indem alle männlichen Ferkel kastriert werden – in der Regel ohne Betäubung. Dabei aber erleiden die Tiere heftige Schmerzen und die Methode widerspicht allen heutigen Tierschutz-Standards. Eigentlich sollte die Ferkelkastration ohne Betäubung zum Jahresende verboten werden – der Bundestag berät noch darüber, ob der Termin verschoben wird.

Alternativen nur bedingt geeignet

Das Problem: Die Beteiligten sind sich nicht darüber einig, welche alternative Methode die geeignetste ist. Eine Möglichkeit wäre die Kastration unter Vollnarkose. Doch dabei sind nicht nur die hohen Kosten ein Problem: „Bei einer Gasnarkose hat rund ein Fünftel der Tiere keine ordentliche Betäubung“, erläutert Ulrike Weiler von der Universität Stuttgart Hohenheim. „Außerdem haben die Ferkel nur wenig Energiereserven und müssen alle halbe Stunde trinken. Sie verpassen also Mahlzeiten und werden dadurch geschwächt. Darüber hinaus steigt die Gefahr, dass sie von der Mutter erdrückt werden.“

Auch die oft propagierte lokale Betäubung durch den Landwirt selbst sieht die Forscherin kritisch: „Die Anästhesie selbst ist schon schmerzhaft und sogar für Tierärzte nicht ganz einfach durchzuführen. Die Methode ist also nicht nur unzuverlässig, sie kann den Tieren sogar mehr Stress verursachen als die bisherige Praxis.“

Impfung statt Schnitt

Die Methode der Wahl ist dagegen nach Ansicht der Forscher die Immunokastration. Dabei erhält der Eber zwei Impfungen, die das Immunsystem zur Bildung von Antikörpern gegen körpereigene Geschlechtshormone anregen. Nach der zweiten Impfung wird die Hormonproduktion eingestellt, der Pubertätseintritt verzögert sich. Diese Immunokastration ist seit 15 Jahren zugelassen und beispielsweise in Belgien schon weit verbreitet. Die Kosten betragen rund 2,50 Euro pro Injektion, und der Landwirt darf sie selbst durchführen. „Eigentlich dient die Methode dem Verbraucherschutz und dem Tierschutz gleichermaßen“, sagt Volker Stefanski, Schweine-Experte an der Universität Hohenheim.

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„Bereits jetzt können wir sagen, dass die Immunokastration in vielerlei Hinsicht besser abschneidet als die anderen Methoden“, berichtet Stefanski. „Die Umweltbilanz ist jetzt schon besser und bezüglich Magengeschwüre sind die Tiere unauffällig, was auf wenig Stress schließen lässt.“ Die Immunkastrate, so der Experte, zeigen insgesamt ein wesentlich weniger aggressives Verhalten. „Sie reiten außerdem kaum auf Buchtengenossen auf und schachten kaum aus. Verletzungen durch Penisbeißen sind daher selten.“

Ziel: Akzeptanz steigern

Dennoch wird die Immunokastration in Deutschland noch kaum praktiziert. Den Grund sieht Stefanski vor allem in der mangelhaften Marktakzeptanz, denn Einzelhandel und Schlachtbetriebe lehnen die Produkte bisher meist ab. „Das Verfahren bedeutet außerdem eine Veränderung in der Produktionskette“, erläutert der Forscher. „Jetzt führt der Ferkelproduzent die Kastration durch, doch die Immunokastration findet später statt. Der Arbeitsschritt und die Kosten werden daher auf den Mäster übertragen – und diese Veränderung bringt Unsicherheit mit sich.“

Um die Akzeptanz der Immunokastration zu steigern, untersucht Stefanski gemeinsam mit seinen Kollegen sowie sieben Partner-Institutionen aus ganz Europa, wie sich die Methode optimieren lässt. Sie soll wettbewerbsfähiger und umweltfreundlicher werden sowie das Tierwohl und damit die Wünsche der Verbraucher bestmöglich berücksichtigen. Nach ersten positiven Ergebnissen zur Umweltbilanz wollen die Wissenschaftler bis zum Ende des Projektes im August 2020 auch weitere Erkenntnisse zur Ernährung der Immunokastrate gewinnen. Ihr Ziel ist es, die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens zu verbessern, die Verbraucherakzeptanz zu untersuchen und eine hohe Produktqualität zu gewährleisten.

Quelle: Universität Hohenheim

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