Wer leicht Fremdsprachen erlernt, nutzt einen bestimmten Teil seines Arbeitsspeichers im Gehirn besonders effektiv aus. Das ist das Fazit einer Studie französischer Wissenschaftler, die die Gehirnaktivität bei dreißig zweisprachig aufgewachsenen Freiwilligen untersuchten. Je besser die Probanden dabei die zweite Sprache beherrschten, desto intensiver nutzten sie die so genannte Insel, eine Gehirnregion, die für das vorübergehende Abspeichern ungewohnter Klangmuster verantwortlich ist. Christophe Pallier vom Nationalinstitut für medizinische Forschung in Orsay und seine Kollegen stellen ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift PNAS vor (Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1073/pnas.0403703101).
Um herauszufinden, wie sich die Hirnaktivität zwischen Menschen mit gutem und weniger gutem Sprachtalent unterscheidet, untersuchten die Forscher die Gehirne von Probanden, die sowohl Englisch als auch Chinesisch beherrschten. Die eine Hälfte der Teilnehmer sprach dabei beide Sprachen gleich gut, während die andere Hälfte im Chinesischen weniger versiert war als im Englischen. Mithilfe der so genannten funktionellen Magnetresonanztomographie beobachteten die Wissenschaftler, welche Gehirnregionen bei den Probanden aktiv waren, während sie sich eine unbekannte Abfolge von Silben einprägten.
Obwohl beide Gruppen die Aufgabe gleich gut erledigten, unterschied sich das Muster ihrer Gehirnaktivität während des Tests, entdeckten die Forscher. Besonders die in der linken Gehirnhälfte gelegene Insel, die als wichtiges Zentrum beim Verarbeiten akustischer Signale gilt, war bei den sprachbegabteren Probanden deutlich aktiver als bei ihren weniger talentierten Kollegen. Dagegen fanden die Forscher bei den weniger sprachbegabten Probanden eine stärkere Aktivität in Regionen, die mit bewussten Denkprozessen in Verbindung gebracht werden.
Sprachbegabte nutzen demnach ihren phonologischen Arbeitsspeicher sehr viel effektiver, schließen die Forscher. Dieser Teil des Gedächtnisses ist dafür zuständig, vorübergehend eine Serie von Lauten wie beispielsweise die Ziffern einer Telefonnummer abzuspeichern. Während die Gehirne der weniger leicht lernenden Probanden die neuen Klangfolgen also mühsam direkt kognitiv verarbeitet haben, waren sie bei den sprachbegabten Teilnehmern im unbewussten Arbeitsspeicher zwischengelagert worden und wurden erst dann für die Langzeitspeicherung verarbeitet.
ddp/bdw ? Ilka Lehnen-Beyel