Forscher um die Projektleiter Helge Kampen vom Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald und Doreen Walther vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg hatten 2014 einen „Mückenatlas“ erstellt – mithilfe eines bundesweiten Monitoring-Programms, bei dem freiwillige Helfer Mücken einfingen und einschickten. Dabei hatten sie eine Tigermücken-Population auf einem Friedhof im Osten Freiburgs ausgemacht. Friedhöfe mit ihren vielen wassergefüllten Gefäßen bieten Mücken ideale Bedingungen.
Würden es die Tigermücken schaffen zu überwintern und sich zu etablieren? Das wäre bedrohlich, denn das geringelt gemusterte Insekt ist sehr aggressiv, verfolgt seine Opfern ähnlich wie eine Bremse, sticht auch tagsüber zu und überträgt zig verschiedene, teils gefährliche Erreger. In Südeuropa ist es schon weit verbreitet und hat Epidemien mit Todesfällen ausgelöst. In Deutschland gab es bis dato nur Einzelfunde etwa an Autobahnraststätten, wo die Insekten wohl als blinde Passagiere aus dem Süden ankamen.
Trotz Bekämpfung überleben Larven
Nicht so in Freiburg. Dort ist eine ganze Population aufgetaucht – weit abseits jeder Autobahn. Tigermücken sind sehr standorttreu und breiten sich nur wenige Hundert Meter pro Jahr aus. Sie müssen also auf anderen Wegen auf den Friedhof gelangt sein. Wie, ist nach wie vor ungeklärt. Fest steht: Sie haben überwintert. „Wir haben im Sommer 2015 auf dem Friedhof erneut Larven gefunden“, berichtet Helge Kampen. „Offenbar haben die Eier den milden Winter überstanden.“
Die Mückenlarven wurden zwar mit dem Toxin des Bakteriums Bacillus thuringiensis israelensis bekämpft und die Gefäße auf dem Friedhof ausgespült, „aber dabei erwischt man leider nie alle Eier“, so Kampen. „In diesem Frühjahr haben wir erneut Larven in Freiburg gefunden. Einige haben also auch den vorigen milden Winter überstanden.“ Und der Fund ist nicht mehr der einzige. Im Westen Freiburgs wurde 2015 an einem Containerbahnhof eine zweite Population entdeckt und bekämpft. Dazu kam eine weitere bei Heidelberg und sogar eine im weit entfernten Jena. Außerdem gibt es noch ungeprüfte Funde in Freudenstadt und Würzburg.
Doch kämpfen hilft
Dadurch aufgeschreckt haben die Forscher mit Vertretern der zuständigen Behörden aus ganz Deutschland eine Expertenkommission gegründet, die Anfang dieses Jahres ihre Arbeit aufnahm. Neue Projekte zum Monitoring der Mücken und zur Erforschung ihres Übertragungspotenzials sind angelaufen, weitere Bekämpfungsaktionen eingeleitet.
Damit die Mücken eine gefährliche Krankheit verbreiten, müssen mehrere Faktoren zusammenkommen: Ein Mensch muss die Krankheit aus den Tropen mitbringen, er muss gestochen werden, die Mücke muss lang genug leben, es muss wochenlang warm bleiben, damit sich der Erreger entwickeln kann, und schließlich muss die Mücke erneut Menschen stechen. Da sich diese Faktoren kaum beeinflussen lassen, konzentrieren sich die Forscher auf die Mückenbekämpfung.
Und dabei kann jeder mithelfen: Indem er seinen Garten frei von wassergefüllten Vasen, Untersetzern und Regentonnen hält – oder sie mindestens einmal pro Woche ausleert. „Der feuchtwarme Frühsommer dieses Jahr war ideal für Mücken“, warnt Helge Kampen. „Wenn wir nichts tun und auch der kommende Winter mild ist, könnte es danach schon zu spät sein.“
Der Beitrag ist in bild der wissenschaft 9/2016 erschienen.