Für bestimmte Aufgaben nutzen Männer tatsächlich ihre linke Gehirnhälfte stärker als die rechte. Insbesondere beim Sprechen und beim Verstehen von Sprache ist vor allem die linke aktiv. Weibliche Gehirne dagegen verbrauchen – etwa wenn sie Reime erkennen müssen – in beiden Hälften viel Sauerstoff, das meßbare Anzeichen für die Aktivität der grauen Zellen.
Mädchen gewinnen bei Vorlese-Wettbewerben, Frauen finden schneller Synonyme als Männer. Möglicherweise meistern sie Sprache besser, weil sie beide Gehirnhälften nutzen. Was aber nicht heißen soll, daß ihre rechte Hemisphäre generell stärker ausgeprägt ist als bei Männern. Die wiederum tun sich nämlich leichter, Puzzle zu legen, Landkarten zu lesen und Geometrie-Aufgaben zu lösen, kurzum, sie haben ein besseres räumlich-visuelles Vorstellungsvermögen. Das aber ist keineswegs eine Fähigkeit der angeblich männlichen linken Gehirnhälfte, sie ist vor allem rechts angesiedelt.
Ungleiche Rollen nehmen die Hemisphären auch bei den Gefühlen ein. Menschen mit einem Schaden in der linken Gehirnhälfte sind häufiger verzweifelt, wütend oder hoffnungslos, die rechtsseitig geschädigten dagegen eher euphorisch und gut gelaunt. Selbst wenn viele Hinweise dafür sprechen, daß die rechte Hälfte stärker an der Erzeugung von Gefühlen beteiligt ist: sie als emotionales – weibliches – Gehirn zu bezeichnen, ist dennoch übertrieben. Ebensowenig ist die linke Hälfte der Inbegriff des verbalen Gehirns, denn wesentliche Aspekte der Sprache, die Intonation etwa, spielen sich ebenfalls auf der rechten Seite ab.
Um zu verstehen, welche neuronalen Spuren Kreativität im Gehirn hinterläßt, hilft jedoch das Bild „hier rechtes, da linkes Hirn“ kaum weiter. Daß Männer eine Gehirnhälfte stärker nutzen als die andere, erklärt kaum, warum sie den größten Anteil an Musikern, Schriftstellern und Erfindern stellen.
Möglicherweise findet sich ja auch eine ganz einfache, banale Erklärung dafür: Frauen sind zwar wirklich ungeheuer schöpferisch. Doch sie haben häufig nicht den Mut, unkonventionelle Wege zu gehen, etwa ein blaues Quadrat zu malen und das als Kunst zu verkaufen. Schließlich waren sie auch jahrhundertelang gezwungen und sind es immer noch – manche entscheiden sich auch bewußt dafür -, ihr Kreativitätspotential im Privatleben ganz anders einzusetzen: Indem sie verlorene Männersocken wiederfinden, aus Kühlschrank-Resten ein Abendessen zaubern, mit ihren Kindern Kasperletheater spielen oder mit wenig Mitteln eine Wohnung gemütlich machen. Das sind schließlich auch kulturelle und kreative Leistungen.