Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 8,90€/Monat!
Startseite »

Jungschildkröten in der evolutionären Falle

Meeresplastik

Jungschildkröten in der evolutionären Falle
Meeresströmungen könnten diese junge Meeresschildkröte direkt in die marinen Müllteppiche bringen. (Bild: shalamov/iStock)

Bis zu 343 Plastikteile im Bauch: Schon junge Meeresschildkröten verschlucken enorme Müllmengen, zeigt eine Studie. Dies ist mit einem Verhalten verbunden, das sie einst in sichere Nahrungsgründe führte – heute allerdings in die wachsenden Müllstrudel der Meere, erklären die Forscher. Ihnen zufolge könnte die intensive Belastung der Jungtiere die Bestandsentwicklung der verschiedenen Schildkrötenarten besonders stark beeinträchtigen.

Reste von Kunststoffen aller Art – überall in den Ozeanen treiben mittlerweile die hässlichen Relikte der Zivilisation und jedes Jahr kommen Millionen Tonnen von Plastikabfällen hinzu. Aus zahlreichen Untersuchungen geht bereits hervor, wie gefährlich die hartnäckigen Kunststoffteile für viele Meerestiere sind. Sie verfangen sich in ihnen oder halten sie für Nahrung. Nach dem Verschlucken können die unverdaulichen Fremdkörper dann auf verschiedene Weise Schaden verursachen. Es ist bereits bekannt, dass eine Gruppe von Meeresstieren davon besonders betroffen ist: Meeresschildkröten verenden häufig an verschluckten Plastikabfällen, geht aus Studien hervor.

Jungtiere im Visier

Doch inwieweit betrifft dies auch schon die Jungtiere? Dieser Frage sind die Wissenschaftler um Emily Duncan von der University of Exeter nachgegangen. Insgesamt untersuchten sie 121 junge Meeresschildkröten verschiedener Arten auf verschluckte Plastikteile. Es handelte sich dabei um Exemplare aus dem Indischen und dem Pazifischen Ozean, die entweder angeschwemmt oder versehentlich von Fischern gefangen worden waren. Ihr Alter reichte von kurz nach dem Schlüpfen bis zu einer Panzergröße von 50 Zentimetern.

Wie das Team berichten, entdeckten sie teilweise hohe Belastungen mit Plastikteilen: „Die Jungtiere enthielten meist Fragmente mit einer Länge von fünf bis zehn Millimetern, und die Partikelgröße nahm mit der Größe der Schildkröten zu“, sagt Duncan. Den Rekord bildetet dabei eine junge Grüne Meeresschildkröte (Chelonia mydas) aus dem Indischen Ozean: In ihr steckten insgesamt 343 Plastikteile. Abgesehen von diesem Rekord scheint aber unterm Strich die Belastung im Pazifik schlimmer zu sein. Beispielsweise fanden die Wissenschaftler dort in 86 Prozent der untersuchten Unechten Karettschildkröten (Caretta caretta) Plastikteile – bei den Exemplaren aus dem Indischen Ozean waren hingegen nur 28 Prozent belastet.

Anzeige

Auch Unterschiede bei der Art des Plastiks zeichneten sich zwischen den Meeresregionen ab, berichten die Forscher: „Bei den Schildkröten im Pazifik fanden wir hauptsächlich harte Fragmente, die aus einer Vielzahl von Produkten stammen könnten, die von Menschen verwendet werden, während es sich bei den Kunststoffen im Indischen Ozean hauptsächlich um Fasern handelte, die möglicherweise von Fischereiutensilien stammen“, berichtet Duncan.

Vorteil wird zum Nachteil

Die Wissenschaftler beschreiben das Problem im Rahmen ihrer Studie als eine evolutionäre Falle für die jungen Meeresschildkröten. Wie sie erklären, kommt es zu diesem Effekt, wenn sich eine einst sinnvolle Verhaltensanpassung oder die Wahl eines Lebensraums nun in einen Nachteil für das Überleben einer Art verkehrt. Bei den jungen Meeresschildkröten ist dabei die Anpassung an die Meeresströmungen das Problem. Nachdem sie an den Stränden geschlüpft und ins Wasser gekrabbelt sind, lassen sie sich vom Wasserstrom in offene Meeresbereiche tragen und verbringen dort ihre ersten Lebensjahre. Dort gibt es Nahrung und vergleichsweise wenige Feinde.

Doch nun lauert dort eine wachsende Gefahr: Die Meeresströmungen transportieren nicht nur die kleinen Schildkröten, sondern auch die Abfallprodukte des Menschen und konzentrieren sie in bestimmten Regionen auf. „Das Verhalten der Jungtiere führt sie nun in diese besonders stark belasteten Bereiche, wie den sogenannten Großen Pazifischen Müllteppich“, sagt Duncan. „Junge Meeresschildkröten sind Allesfresser – und unsere Studie belegt, dass dies Plastik einschließt“, so die Forscherin.

„Wir wissen noch nicht, wie sich die Aufnahme von Plastik konkret auf junge Schildkröten auswirkt, aber jeder Verlust in diesem frühen Lebensstadium könnte mit erheblichen Folgen für die Populationen verbunden sein“, sagt Duncan. „In der nächsten Phase unserer Forschung wollen wir nun mit anderen Forscherteams und Tierärzten zusammenarbeiten, um genauer herausfinden, inwieweit die Aufnahme von Plastik der Gesundheit der Jungtiere schadet“, so die Wissenschaftlerin.

Quelle: University of Exeter, Frontiers, Fachartikel: Frontiers in Marine Science, doi: 10.3389/fmars.2021.699521

Anzeige
natur | Aktuelles Heft
Reizvolle Regionen
Aktueller Buchtipp

Anzeige
Grünstoff – der Medientipp des Monats
Serie: Hervorragend – Junge Menschen und ihr Engagement
Wissenschaftslexikon

Mo|de|de|si|gne|rin  auch:  Mo|de|de|sig|ne|rin  〈[–dizn(r)in] f. 22〉 = Modeschöpferin … mehr

fre|quent  〈Adj.; –er, am –es|ten〉 1 〈geh.〉 1.1 häufig  1.2 zahlreich … mehr

Hips|ters  〈Pl.; Mode〉 Art der Hüfthose mit weitem Schlag [<engl. hip … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige