Seit einigen Jahren wird die rheumatoide Arthritis behandelt, indem gezielt die Botenstoffe abgefangen oder blockiert werden, mit denen das Immunsystem die Entzündungsreaktion steuert. Besonders bewährt haben sich unter diesen sogenannten Biologicals Mittel, die dem Signalstoff Tumornekrosefaktor-alpha, kurz TNF-alpha genannt, entgegenwirken. Da ihre Wirkung in vielen Fällen extrem schnell einsetzt – schneller, als es durch einen entzündungshemmenden Effekt allein erklärbar wäre -, argwöhnten Forscher bereits seit längerem, dass die Medikamente möglicherweise zusätzlich krankheitsrelevante Prozesse im Gehirn beeinflussen.
Genau diesen Verdacht konnten die Erlanger jetzt bestätigen: Sie beobachteten, dass sich schon 24 Stunden nach der Gabe eines TNF-alpha-Blockers die Gehirnaktivität von Rheumatikern deutlich veränderte. Tests mit gentechnisch veränderten Mäusen halfen schließlich, diesen Effekt zu verstehen. Demnach bewirken erhöhte TNF-alpha-Spiegel im Blut, dass das Schmerzzentrum im Gehirn seinen Schwellenwert senkt und die Schmerzwahrnehmung verstärkt wird. Zudem verändern sie die Aktivität im Limbischen System, das für die Steuerung von Gefühlen zuständig ist und damit auch für psychische Effekte wie eben Müdigkeit und depressive Verstimmungen verantwortlich zeichnet. Wird der Überschuss an TNF-alpha eliminiert, beispielsweise durch ein Medikament, normalisieren sich die Reaktionen wieder.
TNF-alpha-Blocker bekämpfen die rheumatoide Arthritis demnach an zwei Fronten gleichzeitig: Zuerst regulieren sie die Schmerzwahrnehmung im Gehirn und fördern das Wohlbefinden und anschließend dämpfen sie die Entzündungen. Schett glaubt, dass dieser Mechanismus auch bei anderen entzündlichen Erkrankungen und bei Infektionen eine Rolle spielt. Die veränderte Hirnaktivität sei zudem möglicherweise ein wertvolles Werkzeug für die Behandlung von Rheumatikern: Es sei denkbar, dass sich mit ihrer Hilfe sich schnell und zuverlässig vorhersagen lasse, ob ein Patient auf ein bestimmtes Medikament anspreche oder nicht.