US-Wissenschaftler haben entdeckt, warum mit den Jahren die geistige Leistungsfähigkeit nachlässt ? und gleichzeitig möglicherweise sogar ein Rezept dagegen gefunden: Im Alter nimmt die Impulsfrequenz bei der Datenübertragung im Gehirn ab, konnten die Forscher bei Affen zeigen. Die Nervenzellen älterer Versuchstiere feuerten deutlich weniger Stromimpulse als die der jüngeren, vor allem im sogenannten präfrontalen Cortex ? einer Hirnregion, die für das Arbeitsgedächtnis zuständig ist. Dieser Teil des hirneigenen Speichers steuert viele alltägliche Aufgaben, einschließlich des Lernens und der Planung. Die gute Nachricht: Mithilfe von Medikamenten gelang es den Wissenschaftlern, die Nervenaktivität zu stärken und damit auch die Hirnleistung der älteren Versuchstiere zu verbessern ? so sehr, dass sie sich praktisch nicht mehr von der ihrer jungen Artgenossen unterschied, berichten Amy Arnsten von der Yale University School of Medicine in New Haven und ihre Kollegen.
Die Neurologen untersuchten die Nervenleistung bei sechs Makaken, von denen jeweils zwei jung, zwei mittleren Alters und zwei mit bis zu 21 Jahren hochbetagt waren. Während die Tiere Aufgaben durchführten, die das Kurzzeitgedächtnis beanspruchen, wurden ihre Nervenimpulse mit elektrophysiologischen Methoden aufgezeichnet. Sie mussten sich beispielsweise die Position eines Gegenstandes merken. Wenn sie nach einer kurzen Zeitspanne noch auf die richtige Stelle deuten konnten, gab es eine Belohnung. Die Auswertung ergab, dass sich die Nervenaktivität beim akuten Reiz ? wenn der Gegenstand sichtbar war ? mit dem Alter nicht veränderte. Bei der folgenden Wartezeit bis zur Aktion zeigte die neuronale Aktivität der Affen-Senioren allerdings Schwächen: Die Nerven gaben deutlich weniger elektrische Impulse ab.
Die Forscher vermuteten, dass der Effekt auf einem Anstieg eines wichtigen Botenstoffs, des sogenannten cAMPs, in den Nervenzellen der älteren Tiere zurückging. Von diesem Signalmolekül ist bekannt, dass es die Aktivität von Neuronen dämpfen kann. Um ihre Vermutung zu überprüfen, gaben die Neurologen den älteren Versuchstieren Wirkstoffe, die cAMP beseitigen. In den nachfolgenden Untersuchungen zeigten die Nervenfunktionen der älteren Tiere nun ähnliche Eigenschaften wie die der Jungtiere – cAMP war also offenbar tatsächlich der Schlüsselfaktor bei dem Alterseffekt, und seine Wirkung scheint sich erfreulicherweise medikamentös beeinflussen zu lassen.
“Altersbedingte kognitive Defizite können gravierende Auswirkungen auf unser Leben im Informationszeitalter haben, vor allem vor dem Hintergrund einer zunehmend alternden Gesellschaft”, sagt Amy Arnsten. “Die Fähigkeit, auch im Alter noch Neues zu erlernen und mit modernen Techniken zurechtzukommen, sind entscheidend für ein unabhängiges Leben?, ergänzt sie. Die Neurologin will nun in weiteren Studien testen, ob sich die Funktionen des Arbeitsgedächtnisses auch bei Menschen medikamentös verbessern lassen, um die Lebensqualität von Senioren durch gestärkte Geisteskraft zu steigern.
Min Wang (Yale University School of Medicine, New Haven) et al.: “Nature”, doi:10.1038/nature10243 wissenschaft.de –
Martin Vieweg