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Keas begreifen Wahrscheinlichkeiten

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Keas begreifen Wahrscheinlichkeiten
Ein Kea gibt einem Forscher einen Tauschgegenstand. (Bild: Amalia Bastos )

Welche Entscheidung hat mehr Aussicht auf Erfolg? Wenn wir etwas nicht sicher wissen, orientieren wir uns bei solchen Fragen an Wahrscheinlichkeiten. Erstaunlicherweise sind auch die Bergpapageien Neuseelands zu diesem klugen Kalkül fähig, zeigt eine Studie: Die cleveren Vögel begreifen, ob etwas mehr oder weniger wahrscheinlich ist und richten ihr Verhalten entsprechend aus. In ihr Kalkül können sie dabei Mengenverhältnisse und sogar soziale Informationen einbeziehen. Bisher waren solche hohen kognitiven Leistungen nur vom Menschen und Menschenaffen bekannt, sagen die Forscher.

Acht blaue und zwei gelbe Bälle – wenn jemand blind nach einem von ihnen greift, welche Farbe wird er dann am wahrscheinlichsten erwischen? Vermutlich wird es ein blauer Ball sein, sagt uns der Verstand. Dies mag banal erscheinen, doch aus Sicht der Kognitionsforschung ist dieses Erfassen von statistischen Wahrscheinlichkeiten eine komplexe Leistung unseres Gehirns. Dieser kalkulierende Verstand hat für das menschliche Verhalten große Bedeutung: Trotz Ungewissheit können wir Entscheidungen treffen, die vergleichsweise hohe Erfolgsaussichten haben. Diese Fähigkeit zum Erfassen und Nutzen von Wahrscheinlichkeiten entwickelt sich bei Menschen vergleichsweise früh: Schon Kleinkinder kalkulieren, haben Studien gezeigt. Bei Tieren ist diese Fähigkeit bisher hingegen nur von unseren nächsten Verwandten bekannt – den Menschenaffen.

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Amalia Bastos und Alex Taylor von der University of Auckland haben nun ausgelotet, ob auch Keas zu dieser Intelligenzleistung fähig ist. Diese Papageienvögel aus den Bergregionen Neuseelands galten als vielversprechend, denn sie haben bereits in verschiedenen Verhaltensstudien ihren erstaunlich scharfen Verstand unter Beweis gestellt: Sie können komplexe Probleme lösen, Werkzeuge gebrauchen und es gibt sogar Hinweise darauf, dass sie sich selbst im Spiegel erkennen. „Es macht viel Spaß, mit diesen Tieren zu arbeiten, denn sie besitzen so ausgeprägte Persönlichkeiten“, sagt Bastos.

Im Rahmen ihrer Studie haben die Forscher einigen Keas zunächst beigebracht, eine Art Währung zu gebrauchen: Wenn sie dem Versuchsleiter ein schwarzes Holzstäbchen geben, bekommen sie im Austausch dafür einen Leckerbissen. Andersfarbige Objekte besitzen hingegen keine „Kaufkraft“, lernten die Vögel schnell. Bei einem der Versuche präsentieren die Wissenschaftler den Tieren zwei durchsichtige Gefäße, in denen sich Mischungen aus schwarzen und orangefarbenen Stäbchen befanden. In einem waren dabei die orangenen, im anderen hingegen die schwarzen Stäbe häufiger in der Mischung vertreten. Der Versuchsleiter griff nun gleichzeitig in beide Gefäße und umfasste für die Vögel unsichtbar einen Stabmit der Faust. Anschließend sollte der Vogel durch Anpicken entscheiden, aus welcher Faust er das Objekt bekommen will.

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Es zeigte sich: Die Keas entschieden sich für die Hand, die in das Gefäß gegriffen hatte, in der mehr schwarze als orange Stäbe enthalten waren. Offenbar hatten die Tiere begriffen, dass bei dieser Wahl die Wahrscheinlichkeit höher ist, eines der begehrten schwarzen Tauschobjekte zu ergattern. In einem weiteren Versuch erhöhten die Forscher die Komplexität der Herausforderung: In den Gefäßen befand sich eine deutlich sichtbare Trennschicht. Wie sich zeigte, orientierten sich die Vögel bei ihrer Entscheidung nun daran, ob der beim Greifen zugängliche Abschnitt mehr schwarze als orange Objekte enthielt.

Statistische Wahrscheinlichkeiten im Kopf

In einem weiteren Versuch gingen die Forscher der Frage nach, ob die Keas auch soziale Informationen in ihr Kalkül einbeziehen können. Sie lernten dabei zunächst, dass es bestimmte Personen gibt, die eine Präferenz für schwarze Stäbe haben: Einige Versuchsleiter nahmen etwas häufiger als andere gezielt ein schwarzes Tauschobjekt aus den Mischungen und gaben es den Vögeln. In anschließenden Versuchen konnten die Forscher zeigen, dass die Versuchstiere die geschlossenen Fäuste dieser Personen häufiger auswählten als die von anderen, die diese Neigung nicht gezeigt hatten. Die Keas können demnach Wahrscheinlichkeiten auch mit dem Verhalten von bestimmten Individuen verknüpfen, erklären die Wissenschaftler.

Es zeichnen sich somit erstaunliche Parallelen der kognitiven Fähigkeiten zwischen diesen intelligenten Vögeln und dem Menschen beziehungsweise Menschenaffen ab. Auch aus evolutionsbiologischer Sicht ist dies ein interessanter Befund, sagen die Forscher. Schätzungen zufolge haben sich die Entwicklungslinien von Mensch und Kea bereits vor 312 Millionen Jahren getrennt. Dies spiegelt sich auch im deutlich unterschiedlichen Aufbau der Gehirne von Vögeln und Säugetieren wider. Dennoch konnten beide Versionen der Nervenorgane am Ende ähnlich komplexe Fähigkeit hervorbringen, wie die aktuelle Studie verdeutlicht.

Zu welchen Verstandesleistungen die Keas noch in der Lage sind, wollen die Forscher nun auch weiterhin ausloten. „Die Keas können uns immer wieder erstaunen. Ich bin gespannt, was sie noch alles drauf haben“, sagt Bastos.


Quelle: Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-020-14695-1

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