Gute Qualität bedeutet bei Pflanzensamen vor allem eine hohe Keimfähigkeit, also ein sicheres Aufgehen der Saat. Ein wortwörtlich ‚cooles‘ und vor allem schnelles Verfahren zur Überprüfung der Keimfähigkeit hat nun ein englisch-österreichisches Forscherteam um Gerald Kastberger von der Karl-Franzens-Universität Graz entwickelt: Sie legen Samen in Schälchen mit Wasser und messen mit Hilfe eines Infrarot-Thermometers die Wassertemperatur. Dringt das Wasser in den Samen ein, löst sich der dort gespeicherte Zucker und die Temperatur sinkt innerhalb kurzer Zeit deutlich ab, im Fall von Erbsensamen beispielsweise um bis zu drei Grad innerhalb einer Stunde. Aus der Zeit, die bis zu diesem Temperatursturz vergeht, und seiner Dauer können die Wissenschaftler ablesen, ob es sich um hochwertiges oder um altes oder gar totes Saatgut handelt, berichtet die Universität.
Wenn die Sonnenblumensamen eines Hobbygärtners nicht aufgehen, ist das ärgerlich. Geradezu fatal kann dies allerdings sein, wenn beispielsweise Bauern oder professionelle Gemüse- und Zierpflanzenanbauer betroffen sind, die Saatgut in großen Mengen einkaufen. Auch viele Forscher benötigen für ihre Versuche verlässliches Saatgut, um zu sicheren Ergebnissen zu gelangen. Um das sicherzustellen, machen sie vor der Aussaat einen sogenannten Keimfähigkeitstest. Dazu werden aus den großen Saatgutsäcken Proben genommen und unter standardisierten Bedingungen ausgesät. Nur wenn ein prozentualer Mindestanteil der Samen keimt, wird die Lieferung akzeptiert.
Die Forscher um Kastberger machten sich in ihren Versuchen einen physiologischen Effekt zunutze: Sobald Wasser durch die Samenschale eingedrungen ist, wird der Keimvorgang angestoßen und die Samen wandeln die in ihnen gespeicherte Stärke in Zucker um. Löst sich dieser in Wasser sinkt die Wassertemperatur. Nach diesem ersten Absinken halten hochwertige Samen die niedrigere Temperatur über viele Stunden, da sie über entsprechend viel Stärke verfügen, die sie verbrennen können. Sind die Samen bereits taub, sinkt die Temperatur zunächst sogar schneller ab, weil die Samenschale bereits angegriffen ist und Wasser leichter eindringen kann. Anschließend steigt die Temperatur jedoch entsprechen schnell wieder an, denn ältere oder gar tote Samen haben bereits einen Großteil der gespeicherten Stärke aufgezehrt.
In ihren Versuchen nahmen die Forscher hunderte einzelner Samenkörner unter die Lupe. Die Temperaturunterschiede konnten die Forscher bei diversen Arten von Pflanzensamen feststellen, praktikabel sei die Methode derzeit jedoch nur bei größeren Samen wie beispielsweise Erbsen: Raps- oder Weizensamen sind so klein, dass sich die Temperaturunterschiede im Hundertstel-Grad-Bereich abspielen, was extrem präzise Messinstrumente erforderlich machen würde.
Pressemitteilung der Karl-Franzens-Universität Graz Zudem ist ein Fachartikel erschienen: Gerald Kastberger (Karl-Franzens-Universität, Graz) et al.: PNAS, doi: 10.1073/pnas.0914197107 ddp/wissenschaft.de ? Mascha Schacht